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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Menzel als Maler der Gegenwart.

Urteile über Menzel.

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modernes geschichtliches Gemälde zu schaffen. Er hätte eine Allegorienicht geduldet, seine Staatsminister, seine Prinzen sollten nicht inBewegungen, Haltung und Kleidung erscheinen, die ihnen nicht eigenwaren. Der romantische Bruder hatte den Fehlgriff gethan, Corneliusuud Kaulbach nach Berlin zu ziehen, sein guter Wille, seine hoheBegeisterung, sein Idealismus hatten der Stadt und dem Staatwohl Ehre, aber nicht innere Förderung gebracht. Die klare Ziel-strebigkeit Wilhelms I. fand den rechten Ton und den rechten Mannfür Preußen, für Berlin . Wie Bismarck die Welt dadurch inStaunen setzte, daß er in der Politik die Wahrheit zu sagen wagte,so hat Menzel in der Kunst das gleiche gethan.

Das Krönungsbild ist Menzel nicht leicht geworden. Diezahllosen Würdenträger ivollten sich darin wiederfinden, die Rang-ordnung und die geschichtlichen Thatsachen mußten über die Kompo-sition gestellt werden. Menzel gehorchte allen Ansprüchen, außerwenu die Dargestellten von ihm Schmeichelei, Unwahrheit forderten.Man war entsetzt von der Art, wie er selbst allerhöchste Herrschaftendarstellte, er der Preuße, der treue Anhänger seines Königshanses.Dort, wo die Wünsche der Besteller mit der Wahrheit gingen,konnte er sie befriedigen; wo sie ihm gegen die Wahrheit, wennauch im idealistischen Sinne sprachen, da prallten sie an seinemauf unbefangene Redlichkeit gestellten Wesen ab. Kaulbach, der ihnden Maler des Häßliche» nannte, wußte mit einer ähnlichen Aus-gabe nichts anzufangen. Er malte an den Wänden der MünchenerPinakothek ähnlicheNepräsentationsscenen" geistreich, das heißtmit allerhand Anzüglichkeiten und Witzen mitsouveränem" Spottüber das Pathos seiner Cornelianischen Gegner. Er bedürfte desMittels der Satyre, um zu der ihm gestellten wahrheitlichen Aus-gabe ein Verhältnis zu erlangen; ihm war sonst die Wahrheitnicht malerisch, uicht künstlerisch. Menzel hat der Auffassung desModernen erst den Ernst gelehrt, indem er es ohne Umschweife undohne Witz gab, wie es ist. Durch sein Auge sahen dann anderedie Möglichkeit, selbst ohne Witzchen modern auch im Gegenstandezu sein.

Auch ihm fehlte es nicht an Widerspruch. Aber dieser warselten heftig, meist stellte sich die Kritik so zu ihm, daß sie sein