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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Siegreiche Wahrheitsliebe. zgg

mehr zum Charakterisieren als zum Idealisieren geeignet; aber ererkenut doch den geweihten Blick des Künstlers, der sofort sieht,worauf die Sache sich zuspitzt. Menzel zieht deu Strich, wo dieserdie Form zeigt, er setzt den Punkt, wo dieser den Treff giebt; undwenn die Natur aus seiner Hand kommt, sieht sie uns mit großenSprechaugen an, die sagen: siehst du, wie ich bin!

Erst die Künstler haben den Künstler in Menzel würdigengelehrt. Pecht schätzt ihn aufs höchste. Er, der französisch Gebildete,der Freund des Realismus und Gegner dessen, was er Naturalis-mus nennt, nämlich der platten Naturuachahmuug, hat die höchste Be-wunderung sür ihn, gerade weil er mit den Nachäffern der Franzosen nichts zu thun habe, und weil das unbedingteste Lebensgefühl ausseinen Werken hervorstrahle. Er erkannte schon aus der MünchenerAusstellung von 18S8, daß neben Menzel die neuen MünchenerRealisten sehr zahm und wohlerzogen aussähen.

Und so ist es denn von Jahr zu Jahr weiter gegangen.Menzel schuf in unermüdlichem Fleiß, mit glänzender Leichtigkeit.Er lebt mitten in der Zeit und sür die Zeit. Einer der ersten in Deutsch-land , der Arbeiter darzustellen wagte, ohne jenes vornehme Lächeln derSittcnmalcr, sondern in ihrer Handtiernng, in ihrer Kraft und ihreuLeiden. Das Eisenwalzwerk (1875) ist ein Denkmal einer neuenKunst. Wie das ehrliche Draufseheu, die völlig unbestochene Wahrheits-liebe aus dem von aller Welt als häßlich Erachteten ein Schönesinachen kann! Wie es einem Maler gelingt, dort eine Schönheit hinzu-zaubern, wo sie bisher nicht war, indem er einen Natnreiudruckdurch Geist, Auge nnd Arm wandern läßt. Wie das ganz undgar als unpoetisch Verachtete zum Malerischen wird das Alles zuerreichen scheint eine Begnaduug, wie sie seit Nembraudt germanischemBolkstum in der Kunst nicht erwuchs. Ähnliches haben andereVölker erstrebt: man kann jedesmal zu Menzel ich möchtesagen die Begleitstellen englisch, französisch, auch italienischcitieren. Die Kunst eines Volkes ist nicht von den Fortschritten andererzu sondern. Aber Menzel war nie der Nachläufer, es giebt keinenMaler, den er sich zum Vorbild nahm, wie keinen alten, so keinenZeitgenossen. Mit siegender Kraft zwang er der Welt seine Knnst-anschannngen auf. Schon Kugler und Fr. Eggers wurden durch ihn