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VII. Das Streben nach Wahrheit.
darauf Hingewiesen, daß die idealistische Ästhetik falsch, hohl, daßdie bedingungslose Hingabe an die Natur die Zukunft der Kunstin sich berge. Diese Kraft hat sich Menzels Kunst gewahrt: Nochheute ist sie der Sturmbock der Jungen gegen die Gesetzmacherei,noch hente wirkt ihre befreiende Macht fort, zwingt sie zur Wahlzwischen dem Gesetz nnd der Packenden Erkenntnis, daß das echte künst-lerische Schaffen unbekümmert um ein solches waltet, daß also wohlmöglich ist, aus Zeit und Beanlagung des Künstlers festzustellen,aus welchen Gesetzen er heraus schuf, nicht aber ein solches fest-zustellen, das eines Anderen Schaffen beschränken kann. DennKunst ist Freiheit, und Freiheit ist Leben nach den seiner Naturangemessenen, ihr genehmen Bedingungen. So wenig es eineFreiheit giebt, die allen recht sein kann, so wenig giebt es eineKunst. Bismarck lehrte das deutsche Volk von unfruchtbaren! Ringennach einem angeblichen staatlichen Ideal abznstehen und in der Er-reichung des Möglichen au Freiheit das Ziel zu suchen; Menzellehrte uns dies in der Kunst. Es ist kein Zufall, daß beidePreußen sind!
Menzel war in der Folgezeit im wesentlichen damit beschäftigt,Dinge ohne geschichtlichen Hintergrund zu malen. Viel Landschaftlicheshat er dargestellt. Er ging nach Paris und prüfte, was die Franzosen in den sechziger Jahren, jenen Jahren neuen Kampfes, vermochten.Es muß ihn erfreut haben, sie auf gleichen Wegen zu treffen, aufdenen er wandelte. Aber er hatte an dem seinigen nichts zu ändern,die Richtung war gut, das Ziel konnte auf verschiedenen Straßenerreicht werden. Schon längst hatte er bemerkt, daß es einen Unter-schied zwischen dem Ton draußen im Freien und dem auf denBildern gebe. Schon längst gesehen, daß gerade die Tonwirknng,jene Einheit des Ganzen in einer bestimmten Farbe, die nicht not-wendig das Braun alter Firnisse zu sein braucht, dem Bilde Haltunggiebt, daß in ihr das Ziel der malerischen Verfeinerung liege.
Damals kamen die ersten Nachrichten von der Entdeckung desHelltones, des Malens der Luft zwischen Beschauer und Gegenstand,der verschwiinmenden Düfte in Ferne und auch Nähe zum Gehörderer, die mit dem Schaffen Europas etwas vertrauter waren.Man begann auf Stimmungsschönheit ernent zu achten.