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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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Menzel und die Schönheit.

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Menzel unterscheidet sich von anderen, daß er sich nicht inSysteme fangen ließ. Er war ein Hellmaler, ehe die Streit-frage aufkam, ob diese Malerei berechtigt sei; und blieb frei in seinerNaturwahrheit, als jene die Ausstellungen zu beherrschen begann,die Schar der Nachahmer sich über die ueue Art hermachte, umauch sie in bequemer Weise auszuschlachten.

Als ich einst vor Jahren im Winter mit einem jungen Mannin einem Abteil über den Gotthard fuhr, als dieser inmitten dergroßartigen Schneelandschast in der Zeitung las, die er vonseiuem Frühstück gewickelt hatte da bin ich endlich grob geworden,weil ich mich ärgerte, daß ein Meusch so viel Schönheit gegenüberteilnahmslos bleiben konnte. Später wurde ich milder gesounen.Ich sah Tausende von Beklagenswerten, die, wie einst ich selbst, dieSchönheit unseres Sonnentags nicht zu erkennen vermögen. Sollich all die anrnfen, um ihnen zu sagen: seht doch um euch, rings-um ist's malerisch, rings umziehen Silbertöne die Welt, es brauchtnur eines Augeuaufschlags und ehrlichen Vertiefens in die Natur,um im letzten Hofe der Großstadt Schönheit zu finden! Und daßdem so ist, danken wir den Hellmalern. Das ist eine Entdeckung,wie jene des 18. Jahrhunderts, welche die Schönheit der Gebirgezuerst fand und empfand, die Sinne für das Pittoreske erweckte:oder wie die der Zeit um 1800, welche der Schönheit des Un-symmetrischen und Verfallenden sich bewußt wurde, die Siune für dasRomantische eröffnete. Nicht, daß der graue Tageston alleinschön sei, wie wir uns einst wohl glauben machten, als es galt,seine Berechtigung zn verteidigen : nicht das soll jetzt noch behauptetwerden, sondern daß auch er schön sei. Denn schon fangen Leutemit flüchtigem Merkvermögen an, ihn als langweilig zu belächeln.Die aber, die es uoch uicht begriffen haben, die noch über die neueRichtung schimpfen, sie für Malerei des Häßlichen erklären, sie sindwie jener, der auf der Gotthardfahrt die gleichgültigsten Anzeigendurchliest, sind noch unentwickelt, noch zum Teil natnrblind.Man thut unrecht, böse mit ihnen zu seiu, man sollte sie beklagen,die Unglücklichen. Ich habe mir oft das Vergnügen gemacht,mit Bekannten, die sich in Ausstellungen weidlich über die Hell-malerei und ihr Geschmiere ausgeschimpft hatten, eine Thätigkeit,