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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VII. Das Streben nach Wahrheit.

schriften der Inquisition . Gebhardt sagt sich nun wohl als Protestant,daß, wie uns die Bibel in Luthers Sprache überkommen sei, diebiblischen Vorgänge uns im Gewände jener Zeit am eindringlichstenwerden. Er hält sich an deren Realismus, uud weiß, daß dieserauf uns bereits als Idealismus wirkt. Wollten die Künstler damalssachlich so zutreffend als möglich wirken, um die Glaubeuswahrheiteuauch als Kunstwerke glaubwürdig zu machen, so hofft er, indem er aneine realistische Zeit anknüpft, wahr in künstlerischem Sinne sein zukönnen, ohne modern werden zu müssen in Äußerlichkeiten, wie esSchnitt und Farbe der Kleidung sind. Es handelt sich um eiuUmgehen des modernen Gewandes bei durchaus moderner Absichtin den tiefsten künstlerischen Fragen.

Es ist, sagt O. I. Bierbaum, als ob Gebhardt, unfroh derdeutschen Gegenwart, das eigentliche Land, die eigentliche Zeit derDeutschen mit der Seele suchte, eine Zeit größerer Einfalt und nochreicherer Form, eine Zeit größerer Herzlichkeit, aber noch sprechen-der in äußerer Schönheit. Die christliche Heilsgeschichte dichtet erin die Zeit, in der das deutsche Wesen die Herrschast und dieLeitung hatte über die Kulturwelt. Und Herman Helferich erklärtGebhardts Gedankengang fo, daß er die heiligen Geschichten in deruns von den alten Meistern vertrauten Flanderschen und Nürn-berger Tracht uud Umgebung darstellte, um durch Fremdartiges nichtzu stören. Und dieser Ausweg sei so übel nicht, da wir einerseitskaum bemerken, daß dies ein erklügelter Ausweg ist so sehr er-greift uns die allgemein menschliche Seelendarstellung und anderer-seits, weil wirklich Flandern und Nürnberg immerhin näher lägenals Algier und Palästina, und auch die heiligen Figuren uns dadurchnäher kämen. Freilich sagt Helferich nicht genan, wenn er vonuns" spricht, wen er meint. Sicher sich selbst und die ihm Nahe-stehenden, die gewöhnt sind, alte Bilder zu sehen. Aber wie vielesind dies im deutschen Volk! Der Ausweg ist gut, aber nur fürdie Kenner ganz gut. Er ist und bleibt ein Ausweg.

Zum Glück trifft Helferich nicht das Wesenliche von GebhardtsKunst. Diese liegt innerhalb der Zeit, seine Gestalten sind vonder strengsten Absicht aus Wahrheit durchdrungen. Das Drum undDrau ist aus dem 16. Jahrhundert, das Bild selbst, alles, was