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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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556
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VII, Das Streben nach Wahrheit.

und gescheitelten Locken, jene auf Würde haltenden, bärtigen Männermit Gewand, über die schon Rietschel höhnte, die mit den kunst-gerecht gepflegten Händen wählen? Oder wirst du diese harten,sorgen- und lebenserfahrenen Leute vorziehen? Wirst du die wählen,die so manierlich zn sitzen wissen, oder jene, welche die arbeit-schweren, des Ruhens entwöhnten Hände so wuchtig auf den Tischlegen, die den Kopf in sie begraben im Horchen auf das Wort?Ist hier die Schönheit nicht ein Hohn auf den Ernst?

Sie tragen schöne Gewänder, die Apostel der Idealisten. Um-sonst habt ihr, sagt der Evangelist, das Himmelreich empfangen,umsonst gebt es auch; ihr sollt nicht Gold noch Silber noch Erzin euern Gürteln haben, auch keine Tasche zur Wegfahrt, auchnicht zween Röcke, keine Schuhe, auch keine Stecken. Denn einArbeiter ist seiner Speise wert! Nicht zween Röcke, wiederholendie anderen Evangelisten. Welchen Einfluß haben diese Worteaus die Welt gehabt, wie mühten sich die Mönche, ihm durch einhärenes Gewand gerecht zu werden! Und doch wirft man Uhdevor, daß sein Gewand nicht der hohen Träger würdig sei; sind wirdoch gewohnt, die Apostel im sauberen, wollenen Unterkleid undOberkleid zu sehen, in blau, rot, gelb leuchtenden, augengefülligenFarben. Und hier ein fahles Grau, ein ungefälliger Schnitt!Mit Vorsicht vermied Uhde im Abendmahl die Tracht unserer Zeit,ohne dabei die irgend einer früheren nachzuahmen. Gerade dieÜberwindung der Kleiderfrage dadurch, daß er sie umging, einganz unscheinbares Gewand wählte, ist ein Schritt zur Befreiungvon einer den Eindruck störenden Fessel. Aber die nicht heiligenGestalten sind die des heutigen Volkes, nicht des sonntäglich auf-geputzten, nicht die des eleganten Städters oder des interessantenKostümbnuern, sondern wieder die unauffälligsten. Uhde suchte inseiner Weise die heiligen Geschichten einerseits aus dem Kreisegedaukeuloser Herkömmlichkeit oder wissenschaftlicher Tüftelei heraus-zuziehen, indem er die Unbefangenheit der Alten aufnahm, die eigeneZeit malerisch zu verwerten. Das hat man so lange ersehnt unddann als es kam, für eine Ungeheuerlichkeit erklärt. Aber ich habees an solchen, die sich in Uhdes Bilder hineinlebten, die es ver-suchten, ihnen gerecht zu werden, nnr zu oft erlebt, daß der Meister