Uhdes Abendmahl. — Uhdes Socialismus.
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sie für sich gewann. Sie wird fortwirken, diese Unbefangenheit,nach der man so lange gerufen hat.
Aber mit der anfangs gewahrten Vorsicht war auf die Dauerwieder nur ein Ausweg gefunden. Es mußte die Wahrheit bekanntwerden. Es kamen die Bilder, in denen die Jungfrau am ArmJosefs im Kleide unserer Zeit durch die gaserleuchtete Schneenachtnach der unwirtlichen Stätte ihrer schwersten Stunde wankte. DieWahrheit forderte diese letzte Folgerung.
Es handelt sich nicht darum, zu erklären, Christus sei inunsere Zeit eingetreten, Christi Zeit decke sich mit unserer; sonderndarum, daß die Kleiderfrage nebensächlich ist neben der der künstle-rischen Wahrheit. Und daß der Mann des 19. Jahrhunderts nurin seiner Zeit das Wahre finden kann, da er nnr dieser un-befangen gegenübersteht. Uhde thut nicht, als halte er seine Bilderfür geschichtlich richtig, er sagt nur, diese geschichtliche Richtigkeitist gleichgültig neben der höchsten Frage der Kunst, der künstlerischenWahrheit. Wir müssen die Empfindungen, die wir durch das Bilderwecken wollen, auf Erlebtem, aus Gegenwärtigem aufbauen, sollensie wirksam sein. Mit dem an Fremdes sich lehnenden Idealismuskommen wir nur zum lebenden Bild, das gefällt, das rührt.Wollen wir die Herzen tiefer Packen, sie erschüttern, so müssenwir sie dort treffen, wo ihre Lebenserfahrungen sitzen. DasChristentum hat seinen Weg nicht gemacht, weil es schön ist,sondern weil es die Liebe ist.
Die Geistlichen fanden in diesen Bildern zu wenig des Gött-lichen, sie sahen zu sehr den Menschen, nicht sein Urbild, dasIdeal. Bleiben sie ans diesem Grundsatz stehen, so führt ihr Wegzur Feststellung des Typus. Dann muß die Kunst die Fahnestreichen, dem Byzantinertnms Pinsel nnd Meißel in die Handdrücken, denn sie kann nur den Menschen darstellen, das sinnlichWahrnehmbare. Will die Kirche ihre Dienste, so mnß sie damit rechnen.Das Judentum war kunstfeindlich, der griechische Idealismus in derKirche ist es kaum minder, denn er ist der Kunststillstand.
Viele, solche die vom kirchlichen und solche die vom idealistischenStandpunkt Uhdes Bilder betrachteten, fanden sie socialdemokratisch.Der frühere Rittmeister bei den Garderciter und Sohn des Prüsi-