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VII, Das Streben nach Wahrheit,
Menge gegenübertrat, was zu vernichten sie eifrig bemüht war,sich später als das Gute offenbarte! Man hat so sehr gelacht überRichard Wagners Wort von der Zukunftsmusik: Das, was euchjetzt häßlich erscheint, wird euch einst schön erscheinen. Wie vielehaben die Wahrheit des Wortes an sich selbst erfahren, wie ge-waltig bekundete sie sich an den Völkern! Die Musik blieb die-selbe, die Menschen blieben im Grunde dieselben. Nur die Be-ziehungen zn einander wandelten sich!
Ob ich Uhde zu hoch nehme? Ich könnte vieler KennerWort anziehen, die seine Kunst tiefer einschätzen. Ich spreche hier-bei nicht von seinen grundsätzlichen Gegnern. Helferich, einer vonjenen, die das Künstlerische in der Kunst am feinsten zu findenwissen, wirft ihm in seinem Büchlein Neue Kunst (1887), einem deranregendsten, das in unserer Zeit geschrieben wurde, Eintönig-keit vor. Für die Uhdeschule gebe es nur die Beleuchtung vonrückwärts, sie erkenne nur geweißte Wände an, beschäftige sichnur mit Fußbodeu von Zicgelbetag, nehme als Stühle nur dieholländischen Strohstühle mit hohen Lehnen, Menschen gebe es fürsie nur mit blassen Gesichtern uud mit sehr großen Füßen.Er zweifelt an der Echtheit des Naturalismus. Uhdes Natur seigemischt. Er setze sich reflektierend und absichtlich über den histo-rischen Sinn hinweg und hoffe, daß die geschichtlichen Fehler undZeitwidrigkeiten von den rein menschlichen Vorteilen, der un-geschichtlich warmen Nähe und Vertrautheit der Figuren gesühntwerden. Helferich stören die Anklänge an Altes, daß Uhde resigniertauf den Christus der italienischen Renaissance zurückgegangen sei,das Zimmer des Lionardo aufgenommen habe, er findet im Bildezu wenig Selbständigkeit und viel weniger Naturstudium. DieKöpfe aber seien. tief und rührend, das Ganze von feierlicherWirkung.
Der französische Kritiker Andrs Michel erzählte 1889, er habeden Leiter eines großen deutschen Museums, das vollgestopft warmit anmntig aufgeputzten Süßmalereien, gefragt, wie es komme,daß uuter den Bildern nichts von Uhde fei. O, Sie lieben ihnja doch nur, weil er französisch malt! habe die Antwort gelautet.Und nun fährt der Franzose sort: Nein, Herr Uhde gehört seinem.