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VII. Das Streben nach Wahrheit.
Es wurde mit schwerem Geschütz hin und her geschossen. DieJahre der größten Heftigkeit dürften die zwischen 1891 und 1894gewesen seilt. Der Maler Wilhelm Trübner , der zwar kein Hell-maler, wohl aber einer der feinsten und kraftvollstem Nachbildnerdes Tones in der Natur ist, Leibl verwandt in der tiefen, gesunden,erwärmenden Farbe, war einer der ersten, die in der Schrift DasKunstverständnis von heute, den Kampf aus den Zeitungen inbesondere Drnckhefte verlegten. Wohl ein Dutzend ähnlicher Büchersetzte den Streit fort. Der Zorn wuchs; die Schriften haben zumgegenseitigen Verständnis wenig, um so mehr zu gegenseitigerErbitterung beigetraget,. Auch in Richard Muthers Geschichte derMalerei wirkt die Kampfstimmung noch entscheidend nach. Jeden-falls aber that dieses ausgezeichnete Buch vorzügliche Dienste. Esbelehrte wenigstens die Welt über die Vorgänge in allen Kultur-ländern, über den inneren Zusammenhang der Bewegung; es zeigtesie als geschichtlich geworden, nicht auf der Willkür Einzelnerberuhend. Muther beurteilte die einzelne Erscheinung ans der Kenntnisder Gesamtkunst. Er schrieb rasch; und that gut daran. Denner mußte bei dem raschen Fortschreiten der Zeit fürchten, daß seineAnsichten sich während des Schreibens ändern würden. Darinliegt seine Schwäche — daß er noch einen Standpunkt zur ganzenKunst zu erlangen suchte. Er wollte noch geistig über ihr stehen,er scheute sich noch anzuerkennen, daß auch er uicht still steht,soudern sich geistig bewegt; daß also das Bild, das er von derKunst zu geben vermag, notwendigerweise alljährlich ein anderes seinmuß. Das Buch erfuhr heftige Angriffe, nachdem es mit Rechtaußerordentlich gefeiert worden war. Denn die Gelehrten fanden,daß sich Muther gegeu ihre Gesetze in Benutzung des Anführungs-zeichen vergangen habe. Er hatte ganze Sätze anderer in seineAusführungen eingewoben, ohne dies äußerlich zu kennzeichnen;hier die Beschreibung eines hübschen Mädchens aus einem Romanauf ein hübsches Bild angewendet und dergleichen mehr. Das istein Verbrechen. Denn in Deutschland darf man, ohne seinerwissenschaftlichen Ehre etwas zu vergeben, dicke Bücher schreiben, indenen alle Gedanken von Anderen ohne deren Zustimmung erborgtsind; aber man darf beileibe nicht zehn Zeilen der Ausdrucksform