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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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'.'.Vue Auffassung der Wahrheit. - - Stellung zum Idealismus. 577

Werke über den Span zu loben. Sie sind keineswegs ihrer Mehr-zahl nach ans der Höhe einer für alle Zeiten giltigen Kunst-vollendung. Ihre Schwachen bestehen in dein Rest von stilistischerWcichbeil. von anschmeichelnder Nokokostimmnng, die er als>!md seiner Zeit seinen Zoll zahlen mußte. Um dieser Schwächewillen gefallen sie noch heute deu meisten von Carstens Freunden,die ihn nicht klassisch, nicht nachahmend geuug habeil köuneu.MareeS Schattenseiten sind anderer, bedenklicherer Art. Er hatliberreich die Herbheit unserer Zeit iu sich aufgenommen. Seinewilder werden nie gefallen, selbst wenn die Knust in der von ihmangegebenen Richtung fortschreitet. Wie Carstens gab auch Mareesdas Beispiel eines Künstlers, der sich selbst auslebt. Und das istseine That. Eine große That. Neben ihm bildeten sich nichtSchüler, sondern Menschen. Sie suchten in ihrer Weise die Naturzu erfassen und in sich zu verarbeite». Sie strebten von den ver-alteten Idealen fort nach dem Darstellen des innerlich Eigenen.

Marees hat den Naturalismus und die ganze moderne fran-zosische Knnst aufrichtig gehaßt. Er hat sie nie verstanden. DieKünstler sind einseitig im Kunsturteil, wenigstens alle großen Künst-ler. Und sie sollen es sein. Bei ihnen ist die Meinung das Kindder That, umgekehrt wie bei anderen Menschen. Sie denken so,wie sie schaffen, während man sonst schafft, wie man denkt. Siekönnen daher auch nicht anders denken, als nach der durch ihreNatur bedingten Richtung. Sie denken aus einer eigenen Welt undLebensausfassung heraus; sie haben ihre eigene Weisheit und ihreeigene Wahrheit, die sich mit fremden Wahrheiten nicht messen läßt.Freilich gilt's als Grundsatz, daß zwei Dinge nicht wahr sein können,die sich widersprechen. Und vielleicht ist das nach den Gesetzeil derLogik richtig. Aber ich sehe überall, daß die Wahrheit iu derWiedergabe der Natur bei jedem eine andere ist; daß zwei ver-schiedene Künstler völlig verschiedene Kunstmeinnngen als wahransehen, und daß sie beide Recht zu habeu glaubeu. Uud weuusie nun zwei große Menschen sind, uud jeue Wahrheit der Inhaltihres Lebens ist, so fürchte ich zu keinem gerechten Urteil zu kommen,wenn ich mich auf die eine uud auch auf die andere Seite stelle;sondern nur dann, wenn ich die Dinge mit dem einen für schwarz

Gurlttt, IS. Jahrh. 37