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VIII. Die Kunst aus Eigenem.
her ist dies anders geworden. Nicht die Franzosen allein haben sichkünstlerisch mit der Aufgabe beschäftigt, alle anderen Völker, auchdie Deutschen, haben hier eingesetzt: Dresden gebührt Wohl der Vor-rang. Im Dresdener Kupfcrstichkabinett, unter Max Lehrs Leitung,entstand meines Wissens die erste deutsche Sammlung von Plakatenin öffentlichem Besitz. August von Verlepsch in München , einemunermüdlichen Kämpfer für das Neue, eiuem Maler der zugleicheiner der wenigen fördersamen Kritiker ist, einem jener die vielerleikönnen und die überall anregen, hat auch die Plakatkunst vielzu danken. Ebenso hat I. L. Sponsel in Dresden schrift-stellerisch für diese Kunst gewirkt. Hier entstanden die erstenwirkungsvollen Plakate, die mit wenig schlichten Farben eine kraft-volle und weithin leuchtende Wirkung gaben. Fischers Anschlag fürdie Handwerksausstellung zu Dresden 1896 war das erste Er-gebnis der veränderten Auffassung, übertrifft an der Wirkung,die hier zu erstreben ist, die rein künstlerisch höher stehendenAnzeigen der Münchener Kunstausstellungen: Ein einfacher Gegen-stand, der den Blick anlockt und ihn doch auch zum Verweilenzwingt. Gerade die Verschleierung mancher Einzelheiten war mitgroßem Geschick durchgeführt.
Es ist kein Zufall, daß Dresden vor anderen Städten sichmodernen Regungen zugänglich erwies. Ein zweiter mit schöpfe-rischer Absicht wirkender Kritiker, Paul Schumnnu, hat ineinem Kampfe, der ihm dauernd Dresden zum Dank verpflichtet,die Öffentlichkeit und mit ihr den Staat auf die völlige Ver-sumpfung der Kunftverhältnisse hingewiesen, wie sie die Vorherr-schaft überalt gewordener Akademiker herbeigeführt hatte. Schonin den achtziger Jahren machte ich mir einmal das boshafte Ver-gnügen, nachzurechnen, daß der erste Dresdener Professor, hättendiese nicht neben-, sondern nacheinander gelebt, unter Pippin vonHeristal geboren sei. Fast ein Jahrtausend vertreten durch wenigüber ein Dutzend Köpfe! Mit Einsetzung seiuer Existenz hatSchumann sich der geschlossenen Macht der Künstlerschaft gegen-über zu behaupten gewußt, unterstützt nur dnrch die wohlwollendeZustimmung der Kunstgelehrten, bis sich thatsächlich der Wandelder Verhältnisse durch Kühls, Dietz', Prells und Wallots Berufung