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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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^11. Die Kunst aus Eigenem.

Sammlungen vor, die wie kaum die eines anderen Staates alteund neue Kunst zugleich Pflegen. Treu's Albertinum , Woermann sGemäldegalerie, Lehr's Kupferstichkabinett, sind Sammlungen, wie siein einer Eigenschaft kaum in Europa übertroffeu werden: Nämlichdarin, daß sie das Neue zu erwerben wagen, ehe es von aller Weltanerkannt ist. Sie haben diese Kühnheit des künstlerischen Blickesbisher nicht zu bereuen gehabt, trotz vieler Anfechtungen.

Dresden war auch die erste Stadt, in der man die NeueKunst der Zimmereinrichtungen zu sehen bekam und zwar auf derdortigen Ausstellung von 1897.

Mir ist diese Neue Kunst keineswegs zu modern. Jedermannahnte, daß sie kommen mußte. Und, wenn man gleich nicht denWeg zu ihr anzugeben wußte, so konnte man doch schon von länger-her ihr Kommen voraussehen. Der Naturalismus und das Strebennach Selbständigkeit in der Kunst mußten im Gewerbe sich irgendwieniederschlagen.

Die Versuche, die Ornamentik durch Nnturstudium zu beleben,sind nicht neu. In meinem Buch über die deutsche Musterzeichner-kunst wies ich 1890 auf die älteren Versuche des französischenBlumisten hin, ebenso wie auf deutsche Bestrebungen dieser Art.Michael Wentzel war in den fünfziger Jahren ein Anreger nachdieser Art. Er tränte sich die Kraft zu, neue Verzierungsformenzu erfinden, die, auf weitere Kreise übertragen, den allgemeinenGeschmack umstimmen sollten. Er wollte nicht nur einzelnePflanzenbildungen in die allbekannten Gänge und Verbindungenbringen, sondern trachtete auch, neue Anordnungen zu schaffen.Aber so geschickt er war, so vermochte er doch nicht, das Neuefreihändig zu erfinden. Andere folgten ihn:. R. Krumbholz, gleichjenem in Paris, England und Dresden thätig, strebte in densiebziger Jahren eine neue Stilisierung der Pflanze an, indem ersie in ihre Grundformen zerlegte und diese geometrisch sortentwickelte.Mit den neunziger Jahren wurden solche Bestrebungen häufiger.Das Eindringen der französischen Gotik unterstützten sie. Mansah, wie diese die Blume srei gebildet, durch Reihungen sie zueinem Ornament benutzt, an den Säulenknäufen sie zum Straußgeknüpft hatte. M. Meurer war der erste, der eine tiefgreifende