Realismus im Ornament. — Die Japaner.
6S9
Umgestaltung des Ornaments durch sorgfältiges Eingehen in denBau der Pflanze erstrebte, in Rom mit Mitteln des preußischenStaates seit etwa 1890 eine Lehranstalt schuf, freilich vorzugsweisetheoretisch die Sache behandelnd.
Den entscheidenden Umschwung brachte die Kenntnis der ja-panischen Kuust. Mit der Mitte der achtziger Jahre drang diesenach Deutschland und begann in die Liebe für Renaissance undBarock Bresche zn legen. Lange vorher hatte sie in England nndFrankreich Einfluß erlangt. In Deutschland war es der Hamburger Museumsdirektor Justus Brinckmann , dem die Augen für dieSchönheit Japans sich wohl zuerst öffneten. Flntartig brach dieBegeisterung für diese dann über Deutschland . Mit Staunen sahman jenen ganz neuen Naturalismus in den Schmuckformen, jenevöllig veränderte Behandlung des Ornaments nach den Gesetzen einersreien Verteilung über die Fläche. Sie entbehrte völlig der Achse,der Symmetrie; sie widersprach den Gesetzen, die nur das stilisierte,nicht aber das naturgetreue Gebild für den Schmuck verwertetsehen wollte.
Was können wir von den Japanern lernen? fragt Seidlitz,einer der besten deutschen Kenner ihrer Kunst. Die Übertreibungin der Nachahmung ihrer Werke habe sich rasch von selbst berichtigt.Nachahmung sei ja stets das sicherste Mittel, den Weg zur Kuustzu verfehlen. Gerade die Japaner lehren aufs klarste, worin dasMittel bestehe, eine auf Überlieferung beruhende Knnst, also stilistischeKunst, lebenskräftig zu erhalten: Es ist das Studium der Natur.Diese Selbständigkeit des Einzelnen den Dingen der Wirklichkeitgegenüber und andererseits die Beschränkung in den darstellendenMitteln gab ihnen Stil und Freiheit zugleich. Japan lehrte invieler Beziehung einen erhöhten Kunstsinn: den der unendlich viel-artigen Natnr. Aber zugleich die Einfachheit: Die Darstellung mitwenig Tönen, der Hinwirkuug auf klare, allgemeine Eindrücke. DerHolzschnitt, das Plakat, die Dekoration haben sehr viel von ihm gelernt.
Überall begannen die Versuche, in japanischer Weise dieFlächen zu behandeln; bis tief in das Jllustrationsweseu er-streckte sich der befreiende Einfluß des fernsten Ostens. Der
Handel mit echten Japanwaren nahm immer größeren Umfang an,
42»