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Die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts : ihre Ziele und Thaten / von Cornelius Gurlitt
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VIII. Die Kunst aus Eigenem,

japanischen Knnst geeignete Vorbilder. Die Art und Weise, wiedort allen Gesetzen der Bildnerei, dem Lessing mitsamt dem Winckel-mann und aller späteren Ästhetik, Hohn gesprochen und wiedoch eine unleugbare künstlerische Wirkung erzielt wurde, mußteeinen Entscheid herbeiführen. Entweder mußte die Liebe für Japan oder es mußte die Ästhetik weichen; beide vertragen sich schlechter-dings nicht miteinander.

Japan siegte vollständig. Zunächst in den Gebrauchsformen.Japan hat uns seine Waffen, seine Geräte herübergesendet, denenallen die Stilisierung, wie wir sie erstrebten, nämlich das Anheftenvon Stilformen fehlte; die vielmehr einfach nach Nützlichkeitsgesetzengebildet und doch unleugbar künstlerisch sind. Namentlich wies esauch die Wege im Ornament. Die Art, wie dort beispielsweise dasWasser plastisch behandelt ist und sogar noch der Fisch im Wasser,diese malerische Auffassung der Durchdringung der Formen war einvöllig Neues. Wie hätte ein Thorwaldsen einen Fisch im Wasserdarstellen sollen? Schon das Wasser allein bot für ihn eine Un-möglichkeit. Noch was Hildebrand über das Gesetz des Reliefs sagt,steht so im Gegensatz zur japanischen Kunst, daß die Haltlosigkeitauch dieser Theorie als beschränkendes Gesetz gar nicht weiter zubeweisen ist. Denn hier wurde Kunst geschaffen, die ganz und garnichts von jenem Gesetz weiß; die ihm so hell auf ins Gesicht lacht,wie nnr irgend denkbar; und die doch echte Kunst ist. Das japanischeRelief fällt aus dem Nahmen, fällt ans der Flüche, sträubtsich gegen jede Regel, erscheint als frei eingegliederter Teil desGanzen. In seiner Nachbildung entstand eine ganz neue Art derStilisierung.

Die frühere Art, ein Naturgebilde in der Knnst dekorativ zuverwerten, war die, daß man es auf die einfachen Grundformen, aufdas was dem Künstler an ihm für typisch erschien, zurückführte; unddaß mau dauu dies als Grundlage für eine verallgemeinernde Behand-lung betrachtete. Im Flüchenschmuck setzte man sich nach stilistischerBehandlung der Naturgegeustünde meist ganz über deren Natur-farbe hiuweg. Man nahm dabei die zahlreichen Vorbilder auf, wiesie nun in Museen und Büchern aufgestapelt nnd zu bequemerVerwertung zugäuglich gemacht waren, und glaubte oft eher gegen