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VIII. Die Kunst aus Eigenem.
denen zu helfen, denen zu leben höchste Menschenpflicht sei. Rück-bildung des ganzen Volkes zu einfachen Sitten, Rückbildung derWissenschaften, der Künste! Solcher Klang zog schon einmal durchdie Welt, wenn auch in anderer Weise. Es war das Ziel Rousseaus .Das Glück, das er erträumte, kam nicht, aber es kam die Umwälzung,die dem modernen Leben die Bahnen öffnete.
Da ist Walter Crane , der Socialdemokrat, der jetzt an ^derSpitze der englischen Kunstlehranstalten steht. Der Gedanke, jedesMenschendasein auf gleiche Bedingungen zu begründen und dieArbeit zu organisieren, ist gewiß sehr ernst und beachtenswert.Ich verstehe Wohl, daß dadurch eine Volkskunst erreichbar wäre,denn ich weiß sehr gut, daß eine solche nur dort blüht, woeine Volkskultur besteht, nämlich eine Gemeinsamkeit der ganzenVolksmasse in wenigstens annähernder geistiger Bildung, in gleichenGebräuchen, gleichen Lebenszielen. Daß nicht die Kunst die Kulturschafft, ist wohl jetzt keinem mehr zweifelhaft. Die Knnst ist vielmehrAusdruck des Volkslebens und je stärker sich dieses in ein geistigesOben und Unten scheidet, desto stärker muß dieser Unterschied inder Kunst sich zeigen. Der Zug der Zeit ging lange leider nichtauf Volkskunst aus, sondern gegen diese, auf Kunst des Unter-richteten im Gegensatz zu der der Unkundigen. Und selten trifftein Unterrichteter den passenden Ton für die Unkundigen; seltenernoch bleibt ein Unkundiger das, was er war, sobald er wirklicheKunst zu bieten hat. Er reißt sich los von seinen Genossen unddrängt sich in den Kreis der Oberen.
Da sind endlich die vielen deutschen Versuche, eine Volkskunstanzuregen. Wie viel gute Vorsätze, den Bauern künstlerisch zuhelfeu, bei ihnen eine Volkskunst zu gründen oder bloß zu erhalten.Alois Riegl hat sehr geistreich das Verfängliche dieser Versuche dar-gestellt. Sowie das Kapital sich in die Volkskunst einmengt, d. h.sowie der Bauer und die Bäueriu nicht bloß für den eigenen Be-darf ihrer Kunsterzeugnisse schaffen, wird die Volkskunst unwider-ruflich eine Fabrikkunst werden, mag sie auch noch in der Bauern-stube ausgeübt werden. Dem Bauer aber, dem der Handelbis in den letzten Winkel der Welt, billiger als er Waren schaffenkann, die Erzeugnisse der Maschine zuführt, dem kaun der freundschaft-