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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Achtes Kapitel.

1670-1680.

Das Jahrzehnt 18701880 war das glorreichste, das am meisten schöpferische, das inhaltsvollste, das Deutschland in diesem Jahrhundert erlebt hat. Die Jahre der Freiheitskriege, die in der hohen Einheit ihres Aufschwungs unerreicht bleiben, haben doch durch die Schuld der Machthaber ungleich geringere Spuren hinter­lassen, als die zehn ersten Jahre des neuen Reichs. Kein Staat hat sich so ruhmvoll in die Weltgeschichte eingeführt wie der unserige. In der Proklamation vom 17. Januar 1871 hatte der greise Kaiser gerufen:

Wir nehmen die kaiserliche Würde an in der Hoffnung, daß es dem deutschen Volke vergönnt sein wird, den Lohn seiner heißen und vvfermutigcn Kampfe in dauerndem Frieden nnd innerhalb der Grenzen zu genießen, welche dem Baterlandc die seit Jahrhunderten entbehrte Sicherung gegen erneute An­griffe Frankreichs gewähren. Uns aber und uusern Nachfolgern an der Kaiserkrone wolle Gott verleihen, allezeit Mehrer des Deutschen Reichs zn sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern au den Gütern und Gabcu des Friedens auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittuug.

In diesen Worten klang ein Echo wider aus den Tagen, in denen unser erster Kaiser jung war: aus den Tagen, in denen Humanität und Völkerfrieden noch als ein Ideal galten, das man nicht einfach alssentimentale Phrase" verspotten dürfte. Und daß es dem Kaiser und seinen Paladinen ernst war mit dieser Gesinnung, das zeigte die machtvolle Wahrung des Friedens, die in der Konferenz von 1878 ihren glänzendsten Ausdruck fand: der geniale Kanzler des Deutschen Reichs half dem geistreichen Premier Englands , Disraeli , und dein eiteln russischen Reichskanzler Gort- schakow zu einem haltbaren Frieden; Deutschland aber stand als ehrlicher Makler" zwischen den Antipoden. Aber nicht die Re­gierungen allein hob damals der große Moment zur Höhe groß-