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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Viertes Kapitel.

16301640.

Wir sahen in dem Jahrzehnt von 182030 eine Reihe starkerIndividualitäten heranreifen. Der Zeitraum von 183040 gehörtihren Nachahmern. Die Dilettanten des Titanismus wachsen heran,die nachgemachten Niesen, die dann um 1840 mit denBerlinerTitanen" Friedrich Rohmer und Geuossen den Gipfel des Jndivi-dualitätsschwindels erreichen. Etwas Ungesundes, Überreiztes haftetden Söhnen dieser Jahre sast durchweg an. Sie wollen, aber sie könnennicht. In d>m vorigen Kapiteln hatten wir geniale Dilettanten zuschildern; jetzt kommen die Dilettanten der Genialität. Maler, dienicht malen können, ohne dabei auch nur witzige Plauderer zu seinwie Wilhelm Hensel ; Politiker, die nicht regieren können, die aberauch nicht einmal große Redner wie Friedrich Wilhelm IV. oder geist-reiche Schriftsteller wie Radowitz sind. An die Stelle der großenSünder Brentano und Heine treten allerleitantarons äs vies",die mit Sünden prahlen, welche sie gern begehen würden; Gott-fried Keller hat imApotheker von Chamouuix" dieseBosheits-dilettanten" köstlich verspottet. Natürlich stehn neben ihnen auchsolche Naturen, denen die Bosheit von Herzen kommt, wie Nestroy und in gewissem Sinn auch Gutzkow ; und auch liebenswürdig reineNaturen wie Karl Simrock . Aber selbst die, deren Lebensführungsoecht genial" wie möglich ist, Grabbe, Lenau , haben einen un-echten Zug, schielen nach der Wirkung ihrer Excentricitäten.

Es ist wieder eine lyrische Epoche. Von den neu auftretendenTalenten ist nur Grabbe durchaus Dramatiker; aber die LyrikerLenau und Mörike überragen ihn. Was in epischer Produktionversucht wird, trägt überwiegend einen halblyrischen Charakter: derMaler Nolten" so gnt wie BettinensBriefwechsel" oder garderLetzte Ritter". Auch den älteren Autoren teilt sich das mit: