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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Fünftes Kapitel.

18401950.

Der Zeitraum von 184018S0 ist das Jahrzehnt der Revolutionäre. Die große Revolution von 1848 ist nur der gewaltige äußere Ausdruck einer langen, mächtigen Vorbcreituug. Man möchte an jene unheimlichen Worte erinnern, die Heine 1844 inDeutschland ein Wintermärchcn" einfügte; er sieht einen ver­mummten Gast unheimlich hinter sich stehen, der ein Richtbeil uuter dem Mantel hält:

Ich bin dcin Liktor, und ich geh' Beständig mit dem blanken Richtbeile hinter dir ich bin Die That von deinem Gedanken, , ,

Die Regierungen haben die Schüler des Jungen Deutschland verfolgt, Fritz Reuter in den Kerker gesteckt, Ferdinand Freiligrath , Georg Herwegh , Richard Waguer zur Teilnahme an den Kämpfen der Revolution gebracht, während Friedrich Hebbel und der alte Schopen­hauer auf der andern Seite der Barrikaden standen. Aber der größte Revolutionär des IS. Jahrhunderts wäre vor ihrer Verfolgung sicher gewesen, selbst wenn er in Deutschland gelebt Hütte: CharlesDarwin (18091882). Was die Journalisten und die Dichter jenes Zeitraums anstrebten, das hat sein tief eindringender Geist fundamentaler, als sie ahnten, erfüllt: Schranken einzureißen, die seit Jahrtausenden bestanden, flüssige Übergänge an den Platz eiserner Grenzen zu setzen, die große Lehre vom aufstrebenden Kampf durch die ganze Reihe der lebenden Wesen zu erhärten. Durch Darwin ward eine neue Weltauffassung begründet, durch ihn der Pessimismus überwunden, durch ihn in letztem Sinne die neue Dichtung, die neue Kunst erst ermöglicht. Aber in alledem war der stille, laugsame, methodische Revolutionär doch nur der Vollender von Tendenzen, die seine ganze Zeit erfüllten.