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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
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Zweites Kapitel.

1810-1820.

Das Jahrzehnt 18111820 hat in weltgeschichtlicher Hinsicht die Befreiungskriege zum Mittelpunkt; und dürften wir die Decennien 17971806, 18071816 abteilen, was auch literarhistorisch manches für sich hätte, so würde dieser Abschnitt mit dem Aus­klingen der großen Kämpfe seinen natürlichen Abschluß finden; denn schon 1817 setzt mit dem Wartburgfest der neue Befreiungs­kampf, der um freiere Gestaltung der inneren Staatsform, wirkungs­voll ein. In kulturhistorischer Hinsicht trennt nichts dies Jahrzehnt von dem vorigen; erst nach 1820 beginnen Dampfmaschine und Eisen­bahn Deutschland in das Netz der neuen Industriestaaten hineinzu­ziehen, beginnen die süddeutschen Parlamente das öffentliche Leben Deutschlands dem fortgeschrittener Staaten näher zu bringen, und erst 1834 geschah mit demZollverein " ein großer Schritt zur wirklichen Einigung desDeutschen Bundes ". Noch war das Leben einfach und still, das Theater fast die einzige Gelegenheit zu größereu Versammlungen und fast der einzige Gegenstand weitere Kreise umspannender Diskussionen. Man sing allmählich an, über das starke Eindringen der Musik in die Gesellschaft zu klagen, das z. B. Jmmermann der geselligen Unterhaltung, Tieck der Geselligkeit überhaupt gefährlich hielt; aber gerade die Musik schuf neue Be­rührungen und erwies sich für die Lyrik neu belebend, seit 1805 der Schweizer Hans Georg Nägeli mit seinemSinginstitut" den Männergesang zu srischer Blüte erweckt hatte. Die bildenden Künste standen auf ziemlich tiefer Stufe trotz vielfacher Bemühungen und er­hielten erst einen neuen Anstoß, seit 1817 König Ludwig von Bayern, damals noch Kronprinz, in Rom mit Cornelius und den Nazarenern fruchtbare Verbindungen angeknüpft hatte. Vor allem stand aber die Kunst abseits vom Leben, nur in ihrer alten Tradition be-