Drittes Kapitel.1820—1830.
Der Zeitraum 1820—30 unterscheidet sich in seinem ganzenCharakter stark von dem Jahrzehnt 1810—20. Wie jenen die großeErscheinung der Freiheitskriege beherrscht, so diesen die Ernüchte-rung und Enttäuschung nach dem Siege. Man hatte im Beginndes Jahrhunderts von der wirklichen Welt als dem verächtlichenFußschemel für alle geistige Erhebung ganz absehen wollen undhatte sich wollüstig in das romantische Hochgefühl der Künstler-existenz versenkt. Man hatte dann (1810—20) eine Brücke zwischenbeiden Welten schlagen wollen. Der große Moment schien wirklichDichtung und Wahrheit zu versöhnen. Man träumte von einemneuen, herrlichen Reich, das alle Schönheit mittelalterlicher Romantikmit der Aufklärung der Gegenwart vereinigen sollte. Und dann kam— die Bundesakte vom 8. Juni 1815 und die Misere des Bundesratsund der kleinstaatlichen Souveränitäten. Man hatte auf demWartburgfest am 18. Oktober 1817 dennoch mutig noch einmal dasBanner des einigen freien Deutschland ausgepflanzt — und dannkam am 23. März 1819 die Ermordung Kotzebues durch Sandund als die unselige Folge der unseligen That die Demagogenhetze,die Arndt und Iahn aus ihrer Bahn warf, den jungen GeorgBüchner zum Verschwörer und den jungen Fritz Reuter zum ver-zweifelten Trinker machte. Man hatte erwartet, der künstlerischenEinigung Deutschlands von Weimar aus werde rasch eine wirt-schaftliche und sociale Verbrüderung folgen — und der Adel tratanspruchsvoller und erfolgreicher als zuvor gegen das Bürgertumauf, und die Schranken des Verkehrslebcn blieben fast überallbestehen.
Noch aber hatte man nicht gelernt, zu kämpfen. Man warenttäuscht, aber man suchte sich abzufinden. Man machte gute