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II BILDUNGSMÄCHTE
ciceronianischen Schrift: De oratore, die Barzizza im Schuljahr 1411—12mit seinen Schülern las. Nach diesen Worten habe — fährt Barzizza fort —Francesco ihn nicht nur ermahnt, sondern sogar gedrängt, und wenn-gleich er wisse, daß Francesco eine zu hohe Meinung von ihm hege,müßte er doch um der Freundschaft willen nachgeben. Zum Schluß redetGasparino seinen Schüler unmittelbar an, er solle nun mit dem Dispu-tieren anfangen, er, der Lehrer, bürge vor der Hörerschaft für ihn: «Trittnun auf diese öffentliche Rednerbühne, und wenn ich bestimmt habe,worüber zu disputieren ist, dann erkläre uns in deiner, wie gewöhnlichsehr klugen Weise, was du vom einzelnen denkst.»Die Rede Francescos ist viel kürzer, da auch sie nur eine Einleitung zurbevorstehenden Disputation ist, die selber nicht aufgezeichnet wurde 12 .In der Rede Francescos kommt zuerst eine Bewerbung um die Gunst derHörer (captatio benevolentiae), wie bei allen humanistischen Reden. Im-merhin ist diese übliche Formel hier geistvoll ausgesponnen durch die Aus-einandersetzung mit einem Zitat aus Gellius . Bei diesem findet der Philo-soph Favorinus es häßlicher, spärlich und kühl gelobt als ausfällig undherb getadelt zu werden. Francesco ist aber nicht der Meinung des Favo-rinus, sondern für seine Person möchte er bescheidner sein; er nähme gernefür seine Disputation auch mit einem schwachen Lobe vorlieb, nur daß ernicht gerade getadelt werde. Die Hauptsache sei für ihn, daß er durch dieEinrede der andern beim Disput noch etwas hinzulerne. Dann wählt er sichals Gegner im Wortstreit oder auch als Opponenten in der Disputation denJohannes ex Foro Julii, den Giovanni da Udine , «einen Mann, wie ihr wißt,in diesen Künsten ausnehmend bewandert», der soll ihm Antwort stehen.Drei Punkte sind Gegenstand der Disputation. Der erste ist, ob Handlun-gen, die aus Furcht geschehen, freiwillig sind, also eine Frage aus dem Be-reiche der angewandten Moral. Diezweite knüpft an das, was schon vorherBarzizza berührt hat, ob die Rhetorik der Dialektik zu folgen hätte, eineReihenfolge, die das ganze Mittelalter hindurch im Trivium befolgt wor-den war (nämlich Grammatik, Dialektik, Rhetorik), oder ob sie einer derTeile des Staatsrechts (civilis scientiae) sei. Der dritte Punkt der Dispu-tation ist: ob es erlaubt sei, den Tyrannen zu töten. Diese drei Fragenzeigen deutlich die Übergangszeit, in der man sich damals befand, und dasteilweise Eindringen humanistischer Fragestellung in das mittelalterliche