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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
Entstehung
Seite
61
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KAPITEL IV

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DE RE UXORIA UND IHR VERFASSER

IDEEN- UND LITERARGESCHICHTLICHEZUSAMMENHÄNGE

NOCH IM SELBEN JAHRE 1415 GELINGT FRANCESCO, DEMHumanisten, der große Wurf. Fieberhaft arbeitete er und eignete sich,wie schon aus seinem Briefe an Lorenzo de'Monaci zu sehen war, alleerreichbaren lateinischen und griechischen Schriftsteller an. Doch wiedie auf ein Blatt regellos ausgeschütteten Feilspäne sich alsbald nach denKraftlinien ordnen, wenn man einen Magneten darunter hält, so ordnetsich vor dem geistigen Auge Francescos mancherlei Gelesenes, unddie gar nicht einstimmigen, sondern wirr und gegenwendig durch-einanderklingenden Stimmen der Vorzeit reihen sich ihm zu harmo-nischem Gefüge als Klänge der eignen Welt. Seine Frage an das Alter-tum ist niemals historisch: wie lebten und handelten die Menschen da-mals, sondern stets: welche Haltung nimmt der Mensch ein gegenüberden sich wiederholenden Urgegebenheiten des Lebens ? Dadurch, daßer so zur Quelle des Seins hinabsteigt, aus der auch die Taten des Alter-tums hervorbrechen, wird ihm verwandte Haltung bestaunter Ver-gangenheit zur gegenwärtig-venezianischen.

DE RE UXORIA 1 ist die eigendiche norma bene vivendi, die Norm desrechten Lebens, für den jungverheirateten Mann. Der Titel bedeutetnicht, daß in diesem Buche die Gattin im Mittelpunkt der Betrachtungstehen solle, sondern das Eheleben und Ehewesen. Die äußere Veran-lassung war die Verheiratung des wenig jüngeren Lorenzo de'Medici, dem er die in kurzen Wochen verfaßte Schrift an Stelle einer Hochzeits-gabe zukommen läßt. Sie ist in zwei Hauptstücke gegliedert: von derGattenwahl und von den Pflichten der Gattin. So ist der erste Teil mehran den Freier gerichtet, der zweite mehr an die Braut. Eine Überlegung,was die Ehe in ethischer und politischer Hinsicht sei, leitet die Schriftein. Die Gliederung seines Stoffes sucht sich Francesco bei den Alten,bei denen in abgemessener Stufung für die Hauptsache gegolten hätte: