6o III HUMANISTISCHE ARBEITEN BARBAROS
auffaßte. Die Pädagogik der Renaissance bei Guarino Veronese und Vittorino daFeltre baut sich ganz auf solchen Erziehungsgrundsätzen auf.
Francesco Barbaro ist der erste bedeutende Mensch, der wieder im SinneQuintilians erzogen wurde. Er erfüllt dessen Forderungen an denGesamtmenschen und wird der sittlichen Strenge dieses Römers, derwie der hl. Dominicus aus dem spanischen Calahorra stammte, gerecht.Klingt es nicht wie ein Wahrspruch auf das Leben des venezianischenOrators, jener vorbildlichen Verbindung von Diplomat und Redner,wie wir ihn bereits in Zacharias Trevisano kennengelernt haben, wennwir bei Quintilian lesen: «Zum vollkommenen Redner erziehen wirjenen Menschen, der nicht anders als gut sein kann; darum fordern wirvon ihm nicht nur eine ungemeine Fähigkeit der Rede, sondern auch alleVorzüge des Geistes... dieser wahrhaft staatliche Mensch, der der Ver-waltung des eignen Vermögens wie der Betreuung des Gemeinwesensgewachsen ist, der die Städte durch seinen Rat leiten, durch seine Ge-setze fest begründen, durch seinen Richtspruch bessern kann, der kannin der Tat kein anderer sein als der Redner (orator) 22 .» Francesco mag indiesen Worten die Ziele seines Lebens vorgezeichnet gesehen haben. Erhat sie alle erfüllt: er wurde Orator der Republik , Gesandter am kaiser-lichen und päpstlichen Hof, er hat mit seinem Rate Städte der Terraferma geleitet als Podestä oder Capitano; er schuf ihnen eine neue Ge-setzgebung und besserte zu allgemeiner Zufriedenheit die Rechtspflegeund überdies wurde er, was Quintilian für den werdenden Orator nichtvorsieht und was wir auf seine Plutarchbegeisterung zurückführten, einberühmter und gepriesener Kriegsheld.