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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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DER HEILIGE BERNHARDIN VON SIENA

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ging damals mit der Predigt des heiligen Bernhardin von Siena durchdas Land. Und es tat not. Einer, der von den Predigten in Florenz ergriffen wurde, der fromme, vielleicht kann man sagen bigotte, Vespa-siano da Bisticci, der beliebte Buchhändler, bekannte: «Zu seiner Zeithatten sich die Laster derart vermehrt, daß weder der hl. Thomas nochder hl. Bonaventura ausreichten, es bedurfte des Auftretens neuer Schrift-steller, wie damals der hl. Bernhardin und der Erzbischof Antoninkommen mußten, welche schrieben und die Welt von solcher Blindheit,in der sie stak, befreiten 2 .»Dem Buchhändler scheint alles Wichtige nur ingeschriebenen Büchern zu hegen, aber die Hauptwirkung dieser Männerder geistlichen Tat war doch das Wort, das sie von der Kanzel erschal-len ließen, denn die Predigten, die Bernardino insbesondere schriftlichniederlegte, waren theologische Traktate, die nach dem verkünsteltenscholastischen Predigtschema jener Zeit gebaut sind; sie blieben, gegendas gesprochene Wort gehalten, unlebendig. Einen unmittelbaren Ein-druck erhält man von Bernardinos italienischen Predigten vom Sommer1436 auf der weiten Piazza del campo in Siena . Man kennt sie, denn eingläubiger Anhänger, ein Handwerker, der so lange sein Geschäft ruhenließ, schrieb sie in Schnellschrift auf Wachs täfeichen nach. Allerdings sinddiese franziskanischen Predigten des XV. Jahrhunderts wegen ihrer starkaufgetragenen Rhetorik schon weit vom Urbild, den schlichten Wortendes hl. Franz, entfernt. Franciscus hatte ausdrücklich seinen Brüdernund Nachfolgern geboten, sich beim Predigen möglichst kurz zu fassen;aber die großen Wanderprediger des XV. Jahrhunderts, allen voran Bern-hardin, dann Alberto da Sarteano und Giovanni Capistranö, der Kreuz-zugsprediger in Ungarn während der Türkenkriege, alle dehnten ihreReden häufig bis zu drei Stunden aus. Das Volk, auf dessen nächsteNöte sie eingingen, hörte ihnen zu, begeistert und gerührt; so eiferteBernardino gegen die Parteien, die seit Jahrhunderten die Städte mitihrem Haß und den mannigfachsten Greueln zerrissen: «... und ichsage dir: wer zugibt, daß er der Partei der Gibellinen oder Weifenangehört, wenn er stirbt mit jener Partei, der ist verloren. Wer mit demMunde beichtet, er sei Weife oder Gibelline und er stirbt mit dieserPartei, der ist verdammt. Wer die weifische oder gibellinische Parteitätig unterstützt hat oder unterstützt, der geht zum Teufel und stirbt so 3 1»