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VIII ALTERS WEISHEIT
Atempause zwischen dem zweiten und dem dritten mailändischen Kriegkam es in Mailand zu einem denkwürdigen Ereignis, zu dem auch BarbaroStellung nahm. König Alphons von Aragon hatte in Neapel Fuß gefaßt,war aber im Seegefecht bei Gaeta von den Genuesen, die damals untermailändischer Oberhoheit standen, besiegt und gefangengenommen wor-den. Deshalb mußten sie den König an den Herzog von Mailand aus-liefern. Zur großen Überraschung der ganzen Welt gelang es aber demgewandten Alfonso d'Aragona, den mißtrauischen Visconti davon zu über-zeugen, daß es dem Herzog mehr nützen werde, den König zum tatkräf-tigen Bundesgenossen als zum gefangenen Feinde zu haben. So entließFilippo Maria seinen Gefangenen mit allen Ehren. Barbaro, der sich da-mals im Dezember 143 5 in Ferrara auf dem Wege zu Papst Eugen IV. be-fand, um mit diesem, Florenz, und dann auch mit dem sich gegen Mailand empörenden Genua ein Schutz- und Trutzbündnis gegen den Viscontiabzuschließen, verfolgt gespannt diese Ereignisse 2 . Er kann der Groß-mut des Herzogs die Anerkennung nicht versagen. Der Herzog habeseine Macht vergrößert, da er wohl wisse, daß es ein schönerer Sieg sei,die Feinde durch Schonung für sich zu gewinnen als sie niederzuringen;aber Barbaro bleibt im Zweifel, ob jene neu geschlossene Freundschaftsich nicht gegen Venedig und Florenz kehren werde: «Es ist uns nicht un-bekannt, schreibt er an Giustiniani, welch hervorragend geschickten Geistder Herzog besitzt und welche Hilfskräfte ihm zu Lande und zu Wasserzur Verfügung stehen. Gerade, weil man sich fast niemals ohne großenVerlust mit ihm geschlagen hat, müssen wir vorbeugen, daß er unswenigstens nicht schaden kann, wenn ihm einmal das Glück mehr lächelt,als uns nützlich ist. Mein Wunsch geht dahin, daß der Herzog von Mai-land nicht imstande sein möge, unsere Freiheit zu schädigen, denn es istkaum zu hoffen und zu erwarten, daß er dazu nicht die Absicht hätte.Da er kein Unternehmen gegen unsere Republik unversucht läßt, müssenwir ihm, ehe es zum Waffenentscheid kommt, bemerklich machen, daßer mehr zu fürchten als zu erwarten hat. So sollte ihm nicht Gelegenheitgeboten werden, zu entscheiden, ob er mehr Gewicht auf sein Glück als aufFreundschaft und Frieden zu legen habe 3 .» Ein halbes Jahr später sendeter an seinen andern staatsmännischen Freund Ermolao Donato, der alsGesandter an den Mailänder Hof gereist war, einen merkwürdigen Brief,