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Francesco Barbaro : Früh-Humanismus und Staatskunst in Venedig / Percy Gothein
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BARBAROS TOD

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trauten, von Engeln, Propheten und Heiligen lange erwartet, freudigaufgenommen wird.»

Im Senat wurde nach Barbaros Ableben eine feierliche Sitzung zu seinemGedächtnis gehalten. Man wußte bisher nicht, wer die Trauerrede ge-halten hat und ob sie erhalten sei. Doch ruht sie unbeachtet an einemversteckten Platze mitten in einer Handschrift der Markusbibüothek.Verfaßt und gehalten hat sie Filippo da Rimini 97 , der dem Prokuratorin seinen letzten Lebensjahren nahestand und zu seiner Klientel ge-hörte, wie aus auf uns gekommenen Briefen hervorgeht.Wir erfahren daraus, daß Barbaro noch am Tag vor seinem Tode involler Kraft (pridie firma valitudine) im Senat eine seiner berühmten Ent-scheidungen gefällt hat. Stets herrschte atemlose Stille, wenn er zusprechen begann. Der unerwartete Verlust preßt Filippo da Rimini dieWorte ab: «O elendes Leben der Sterblichen, je mehr es versucht, sichdurch Geist hervorzutun, je mehr es sich anstrengt, durch entschlossenvollbrachte Taten dem Himmel nahezukommen, um so mehr wird eszu Boden gedrückt. O unsre vergeblichen Mühen, die alle dahin zielen,daß sie ein Erdhügel, ein wie spärlicher, schließlich zudeckt 98 !» AuchFilippo ist einer der vielen, in denen Barbaro so tiefen Eindruck hinter-lassen hat, daß sie, gleichsam von seiner Lebenssubstanz durchdrungen,fast sterben, wenn er stirbt, aber dann doch sein Wesen in sich lebendigerhalten und dankbar Zeugnis davon ablegen. Ich weiß nicht, wer heuteauf Erden unglücklicher lebt als ich. Mich, mich, Barbaro, der du leben-digen Lebens, nicht des Todes würdig bist, hast du entseelt, als dusterbend deinen edlen Geist aufgabst, hast du schier meinen Untergangherbeigeführt 99 .»

Mit diesem Ausdruck ehrfurchtsvollen Gedenkens, mit dem die Freundeihm nachsahen, als er ihnen entschwand, wollen auch wir, bevor er unsschweigt, uns noch einmal besinnen, weshalb wir heute diesen Mannaus halbtausendjähriger Vergessenheit emporsteigen lassen. Am Beginndieses Buches verhießen wir, ihn als den (typischen Venezianer) er-stehen zu lassen; wir bereuen nicht, ihn als Blickpunkt für seine er-eignisreiche Zeit gewählt zu haben. Denn soweit wir uns auch um-sahen, nirgends fanden wir in der Zeit des erwachenden Humanismus