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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Universitätszeit und juristischer Beruf.

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Mit dem Frühjahr 1845 trat ich demnach in das Stadiumder praktischen Vorbereitung für den Justizdienst in Rheinhessen .Die jnngen Leute dieses Standes'hießen damals in Hessen -Darm-stadt offiziell Accessisten; bei uus in Rheinhessen nannte derSprachgebrauch sie noch Stagiaires (Abkürzung von ^.voeat staZi-ursd. h. hui tait soii sta^s), wie ehemals unter französischer Herr-schaft. Zu jener Zeit galt in der Hauptsache noch anf allen Ge-bieten der Rechtspflege, mit Ausnahme des Strafrechts, diefranzösische Gesetzgebung. Nicht nnr das Zivilrecht, der LoäsMxolson, wie noch jetzt, da ich dies schreibe, sondern auchZivilprozeß uud Strafprozeß. Vou allen diesen Dingen hatteman aber bis dahin nicht ein Sterbenswörtchen vernommen. Diejuristische Ausbildung der Universität war ganz ausschließlich aufdas römische und deutsche Recht zugeschnitten. Ein ganz neuesStudium mnßte theoretisch in Angriff genommen werden, zugleichmit der Einführung in die praktische Arbeit unter diesen unbe-kannten Voraussetzungen. Das scheint auf den ersten Blick einfragwürdiges Experiment. Aber in der Wirklichkeit liegt einGewinn darin. Der durch das allgemeiu rechtswissenschaftlicheStudium vorbereitete Geist driugt nun mit einer Schärfe nndReise, wie er sie während der akademischen Zeit noch sehr un-vollkommen erlangt, in die neue Materie ein. Grade das Ver-gleichende weckt die Beobachtung. Ferner gereicht es zum Nutzen,daß man viel weniger auf Lehrbücher und sonstige mittelbareHilfsquellen augewiesen ist, vielmehr die Quintessenz der Gesetzeaus dem Gesetzbuch selbst sich holen muß. Einige Systeme studierteman allerdings nebenher, wie namentlich das vorzügliche Buchvon Zachariä und etliche französische Kommentare. Aber die Haupt-sache blieb der Loäs, der sich dadurch außerordentlich lebhaft ein-prägte. Freilich gehört auch die prägnante uud kuappe, vonaller Lehrhaftigkeit soweit entfernte Fassung dieses Textes dazu.Endlich wirkt auch der Segen mit, daß man nicht zu Füßendes Katheders sitzt, alles an seinem eigenen Tisch selbst finden,aufnehmen und verarbeiten muß. Das römische Recht, welchesdoch den größten Teil der akademischen Vorbildung ausgemachthatte, ist dabei uicht im geringsten vom Ueberfluß. Ich habedas nicht uur an mir und am Rhein , sondern später in Frank-

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