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Zweites Kapitel.
reich und an andern bewährt gefunden. In meiner Stellung an derSpitze eines großen Geschäftes hatte ich später über große Rechts-sachen und Prozesse zu instruieren, und ich habe dabei viel Glückgehabt, zum Teil wohl, weil ich alles selbst vorbereiten und aus-arbeiten konnte, und in den wichtigsten Streitfragen kam mir diepandektistische Erinnerung zu statten, wie ich auch in dem weit-aus tüchtigsten Advokaten, mit dem ich zu thun hatte, dem altenDnfanre, den besten Romanisten unter den Pariser Praktikernschätzen lernte. Daß ich mit dem französischen und dem römischenRechte durch meine Vergangenheit ziemlich vertraut war, gerietmir, als das Schicksal mich in die kaufmännische Laufbahn hin-einschob, zum praktischen Vorteil und zugleich zu einer größerenintellektuellen Freude au meiner Erwerbsthätigkeit.
Es war Vorschrift, daß der Rechts-Aceessist seine Laufbahnmit einem halbjährigen Dienst an einem Gericht begann. Ichwurde der Kanzlei des Appellhofs in Mainz zugeteilt Es warvielleicht nicht das nützlichste, aber jedenfalls das angenehmste,was mir geschehen konnte. Wir waren nicht mit Arbeit über-laden, hatten schöne große Räume für unsre Amtsstuben undwaren unserer in der Regel nur drei oder vier iu denselben ooug.raors beschäftigt. Dies Personal bestand aus dem Obergerichts-schreiber (Zi-sttisr — man nannte auch kurzweg die Kauzlei noch„Die Gresfe", obwohl es nach dem Geschlecht des französischenWortes der Greffe heißen müßte), dessen Vertreter (ooramis Zrstiisr),einem älteren Aceessisten mit Gehalt, einem unbezahlten Accessisten,der ich war, und einem Kanzleidiener. Mit Ausnahme von mirwaren es lauter Originale. Wie „gemütlich" es auf diesem Amtznging, mag man unter anderem daraus schließen, daß die beidenExtreme der Hierarchie, der Obergerichtsschreiber und der Kanzlei-diener, sich duzten. Beide waren Schulkameraden und in derselbenBahn geblieben nur mit einer Gabelung, der zufolge der eine denandern zugleich mit Justizrat und du, der andere seinen Botenmit dem einfachen Namen anredete. Der Diener war ein Humoristund Trinker, wie das bei uns so oft zusammengeht, der seinTalent noch besonders im Umgang mit der österreichischen Garnisonausgebildet hatte und uns mit Reproduktionen aus deren intimemLeben regulierte. Den Höhepunkt erklomm sein Beruf des Komikers,