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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Uuiversitätszeit und juristischer Beruf.

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schon aus dem Grunde, weil Anwaltschaft und Advokatur (avousund avooat) nicht mehr getrennt existierten. Die Käuflichkeit derAnwaltschaft war beseitigt und dafür eine beschränkte ZahlAdvokat-Anwälte, die der Anciennität nach von der Regierungernannt wurdeu, eingesetzt. Die Wartezeit war sehr lange,manchmal bis zu fünfzehn Jahren. Wenn man die Trennungder Anwaltschaft von der Advokatnr nicht in der Praxis aus derNähe kennen gelernt hat, ist es schwer, sich in sie hineinzudenken.Hat man aber einmal, namentlich in großen Verhältnissen, inHauptstädten wie Paris oder London , mit ihr aus eigner Er-fahrung die Probe auf die Sache gemacht, so lernt man dieRichtigkeit dieser Trennung würdigem Offenbar hängt es anchdamit zusammen, daß der Advokatenstand nach der französischenTradition sozial und politisch eine höhere Stellung einnimmt, alsnach der deutschen. Und das ist nicht unwichtig, insofern dieParteien in der Person ihres Vertreters vor Gericht dadurch mehrAchtung genießen. Trotzdem diese Ordnung der Dinge bei unsauf die beschriebene Weise verändert worden, lag doch noch einwenig von dem Nimbus, der dem Advokatenstand nach derfranzösischen Anschannng zu gute kommt, auf dem unsrigen. DasBarrean, wie das Kollegium sich nannte, hatte noch seinen Stolzund Rang.

Erst mit dem Eintritt in das Bnrean eines beschäftigtenAdvokat-Anwaltes begann für mich, den nur im deutschen Zivil-prozeß theoretisch unterrichteten Anfänger, die Schwierigkeit.Denn was man anf der Universität davon gelernt hatte, war hiergar nicht zu brauchen. Dort ausschließliche richterliche Prozeß-leistung, hier unbedingte eigne Aktion der Parteien. In dieseRichtung sich hineinzuarbeiten kostete viel Anstrengung, aber istman einmal eingedrungen, so lernt man die Vorzüge dieserAktioussreiheit um so mehr schätzen. Der neue deutsche Prozeßhat ja viel von diesem System angenommen, freilich habe ich ihnnicht genügend aus Erfahrung keunen gelernt, um ihn mit dem(^ocls cls xroesclure vergleichen zu können. Aber wenn schon jederJurist bekanntlich am Recht hängt, in das er sich eingelebt hat, soverstehe ich ganz besonders, wie es den Praktikern des RheinischenProzesses schwer wird, sich von demselben zu trennen. Die