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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
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Journalist und Volksredner.

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mals abenteuerliche Gerücht nach etwa einem Vierteljahrhundertzur Wahrheit werden.

Wenn man die Enttäuschung, Verwirrung und Aufregungjener Tage in den Verhandlungen und Stimmen der Zeitgenossenwieder nachliest, so begreift man, wie das alles mit einer, wennauch noch so aussichtslosen Volkserhebung ausgehen mußte.Selbst die Gemäßigten und Friedliebenden konnten es nicht fassen,daß alles so ganz und gar mit dem kahlen Nichts, der Wieder-einsetzung des alten Bundestags enden sollte, und wagten nicht zuwidersprechen, wenn die Notwendigkeit des Widerstandes in irgendeiner Form sich Lust machte.

Am 23. April sagte Welcker in der Paulskirche:Es scheint,wir stehen am Anfang vom Ende. Eine Revolution, furchtbarerals die vou 1848, will sich vor uns öffnen"; und er fchließtdamit, daß wir an der Schwelle eines Kampfes stehen zwischenVolksfreiheit uud Fürstensouveränität, eines Kampfes auf Lebenund Tod!

Bereits in jenen Tagen sah ich die Gefahr einer unaufhalt-baren Erhebung voraus und fuchte, ihr vorzubeugen. Ich ver-faßte eineAufforderung", die, anderthalb Spalten an der Spitzeder Zeitung vom 27. April iu gesperrter Schrift füllend, Öl aufdie Wogen zu gießen versuchte. Nachdem im Eingang das volleMaß des Unwillens uud des Mißtrauens über die Gemäßigtenausgeschüttet worden, die in diese Sackgasse geführt hatten, nimmtder Aufruf doch noch einmal eine versöhnliche Wendung und redetder Möglichkeit eines loyalen Zusammengehens gegen das drohendeVerhängnis das Wort.

Das alles, Mitbürger, sind nur Schatten von Möglichkeiten, und esist Hundert gegen Eins zu wetten, daß Parlament uud Parlamentsleutewieder sich blamieren und das Volk wieder im Stich lassen. Aber auchder hundertste Fall schien uns wichtig genug, ihu in Erwägung zuziehen, d. h. ihn in einer großen Parteiversammluug der Besprechung zuunterwerfen. Wir haben uns deshalb veranlaßt gefühlt, auf Souutag,den 29. April, nächsthin eine große Volksversammlung nach Bingeu zuberufen. Wir laden dazu alle Demokraten Rheinhessens ein und ersuchendie Kantonshanptorte uud Vereiusvorstäude dahin zn wirken, daß ausjeglichem eugereu und weiteren Verbände Beteiligte so viel als möglichauweseud seien. Wir laden zugleich die Demokraten der angrenzenden