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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Journalist und Volksredner.

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Charakteristisch für deutsche Parteizustände und die sich ewigwiederholenden Konstellationen war, daß in der radikal-republi-kanischen Partei selbst ein Zwiespalt ausbrach.

Ludwig Simon von Trier , einer der strammsten Doktrinäreder republikanischen Partei, hatte in einer Versammlung, die inFrankfurt in der Katharinenkirche gehalten wurde, verlangt, manmöge, um alle Kräfte für das bis jetzt Erstrittene zu sammeln,sich um die in der Abstimmung der Paulskirche festgestellte Ver-fassung, trotz ihrer Mängel, und sogar eingeschlossen das erblichepreußische Kaisertum, schareu. Während ein Teil seiner ebensoradikal gesinnten Freunde ihm beitraten, erbosten sich die übrigendagegen, als eine Verleugnung republikanischer Prinzipien und eineKonzession an die Halbheit.

Wenn irgend jemand ein Mann des Prinzips war, so wares Simon, und ebenso war sein feuriges Temperament allenSchwachheiten fern. Aber es schien ihm richtig, in diesem Augen-blick der letzten Möglichkeit, diese nicht auszuschlagen.

Darüber erhob sich nun eine Verketzerung, wie wir sie inunsren Tagen so oft wieder erlebt haben.

Gewiß, anch feine Taktik vermochte nicht mehr zu retten, wasunrettbar verloren war, denn die alten Gewalten, entschlossen mitallenErrungenschaften" des Jahres 1848 radikal aufzuräumen,fühlten sich bereits unwiderstehlich. Aber die Anklagen gegenSimon und seine Taktik waren nichtsdestoweniger absurd.

Auch in meiner Zeitung spiegelte sich der Streit ab. DieMannheimer Abendzeitung", ein Organ derUnbeugsamen",schleuderte den Bannstrahl gegen die Abtrünnigen. Ich trat alsUnparteiischer dazwischen.

Immer wieder von neuem erfaßt mich Verwunderung, wennich das damals Geschriebene nachlese und die buchstäbliche Wieder-kehr vou Streitigkeiten konstatiere, die seitdem so oft, und bis aufden heutigen Tag, sich im deutschen liberalen Lager wiederholthaben und die Unfruchtbarkeit der Liberalen erklären. Aus dereinen Seite die endlose Selbsttäuschung, daß man durch ewigesZurückweisen etwas erhalten könne.