Kaufmännische Lehrjahre.
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las; das waren süße Heimatklänge für mich. Nach der obengeschilderten Gesamtstimmung wird sich das nachfühlen lassen.Das Buch, seine Figuren, seine Gedanken, alles das bewegte sichso durchaus in der Sphäre, in der ich meine eigne Entwicklunggenommen hatte. Es war Heimatluft, und zwar die beste, undda es in der Heimat selbst nicht so aussah, daß man sich in siezurückwünschen mochte, so war dies Stückchen idealer Heimat imExil eine wahre Oase.
Bücher können nicht glücklich machen, aber glückliche Stundenund Tage können sie geben.
Gntzkow war der gediegenste des Jungen Deutschlands undverdient unter den Schriftstellern zweiten Ranges seiner Zeiteinen ersten Platz.
Alles in allem war mein Leben in Rotterdam doch viel er-träglicher als in Antwerpen , nachdem einmal die ersten Be-klemmungen des unheimlichen, beinah komischen Anfangs über-wunden waren. Ich lese es aus meinen Briefen heraus. Hatteich auch menschlich nicht viel Besseres, so gehörten doch die spätenAbendstunden und der Sonntag mir allein, und ich konnte mireine Atmosphäre machen.
Dreimal in der Woche hörte ich naturwissenschaftliche Vor-träge, mehr um holländisch zu lernen, als um des Studiumswillen. Ein Theater gab es nicht, aber gute Konzerte; dieHolländer betrieben die Musik, wie alles, mit großem Ernst.Ein Dirigent^ der sich später noch einen Namen in Deutschland machte, als er nach Leipzig berufen ward, Verhulst, machte seineSache sehr gut. Die Natur hatte ihren Reiz. Der Friede derweitgestreckten Wiesen, der stillen Wässer der Kanäle, der schmuckenLandhäuser mit ihren im Rokokostil gehalteneu lateinischenInschriften, selbst die Menschen mit ihren langen weißen Thon-pfeifen, deren Gebrechlichkeit zur Ruhe anhielt, das alles warfür Kopf und Herz, die sich seit zwei Jahren viel gequält hatten,eher ein wohlthuender Hintergrund.
Den Zauber der holländischen Malerschule lernt man aucherst recht verstehen, wenn man die Beleuchtung ihres Landesnäher beobachtet hat; dieses sanfte, feine, fchmelzende Licht, hell