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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Sechstes Kapitel.

Jetzt begann eine Zeit des Glückes, wie sich dies nach allenLeiden nnd Kämpfen, besonders nach allen Quälereien, die meineFran bis dahin über sich hatte ergehen lassen, denken läßt. Wirführten ein stilles, beschauliches Leben, selig, endlich vereinigt zusein und uns allein anzugehören. Die schweren seelischen Leidenhatten die Gesundheit meiner Frau arg geschädigt, und dasfeuchte holländische Klima war mit nichten dazu angethan, dieseLeiden zu heben. Während ich mich mit dem Gedanken vertrautgemacht hatte, bis auf weiteres in Holland zu leben, konnte siesich nicht mit dem Aufenthalt befreunden. Land und Leute warenihr antipathisch, besonders die Schwerfälligkeit der Krämer undHandwerker, mit welchen der Haushalt täglich in Berührungbringt. Es war immer sehr komisch, wenn sie in Begleitungeiner Rotterdamer Freundin, der Frau des erwähnten deutschenArztes, Geräte einkaufte.Nehmen Sie das Beste, meine Liebe,es ist ja fürs Leben."Ich will aber nicht fürs Leben hierbleiben", war dann die Replik. Und so kam es.

Eines Morgens, am 8. Juli 1853, am Tage, an dem meineFrau zum erstenmal wieder zum Besuch ihrer Mutter ans einigeWochen nach Deutschland reisen sollte, kam ein Brief meinesAntwerpener Bruders, der mir schrieb, im Pariser Bankhausbereite sich eine große Veränderung vor; es sei ein neuerProkurist nötig, und man würde vermutlich mir die Stelle vor-schlagen.

Es war des Morgens acht Uhr. Meine Frau sollte ineiner halben Stunde mit dem Dampfboote rheinanfwärts fahren.Sie war schon ganz reisefertig. Ich las ihr den Brief vor undsagte:Nun, das ist zn überlegen." Da riß sie sich den Hutvom Kopse und sagte:Wenn Du da noch überlegen willst, so geheich nicht fort. Da ist garnichts zu überlegen, sondern nur zu-zugreifen." Ich beruhigte sie, daß ich gewiß in ihrer Abwesenheitdie Sache nicht von der Hand weisen würde, und sie ließ sicheinschiffen, nachdem ich ihr nochmals alle möglichen Znsicherungengegeben hatte.

Mir war die Sache nicht so spruchreif, weil ich zur Zeit dieFreude genoß, nur auf meinen eigenen Füßen zu stehen, mitniemandem zusammengespannt zu sein, und die unbekannten Reize