283
obgleich auch einigermaßen naiv, gehörte zu der Spezies derBesserwisser. Er bediente sich z. B. in der Unterhaltung derstereotypen Wendung: „Erlauben Sie, daß ich Sie berichtige",die ihm freilich mancher ihm durchaus ebenbürtiger nicht ver-zeihen mochte.
Es giebt aber stärkere Typen dieser Spezies, z. B. solche,welche nicht nur alles besser, sondern überhaupt alles wissen.Erzählt man ihnen, was es auch sei, so haben sie von zweiAntworten immer die eine in Bereitschaft: entweder sie wnßtenes längst, oder es ist nicht wahr. Ein drittes giebt es fürsie nicht.
Simons Redeweise hatte keine Spur von solchem Über-legenheitsgefühl. Es war die harmlose Freude au der eigenenMundart und Vortragssorm, die ganz spontan und lustig heraus-sprudelten.
In den ersten Jahren des Exils war er, wie berichtet,durch ein heftiges langwieriges Unterleibsleiden zur Un-tätigkeit und zum Aufenthalt an der Niviera verurteilt ge-wesen. Nach seiner Herstellung mußte er auf einen Broterwerbbedacht sein. Gute Freunde brachten ihn mit öem Pariser BankierLeopold Köuigswarter in Verbindung, der sich aus politischerSympathie bereit erklärte, den ehemaligen Advokaten, Parlamentarierund Volkstribunen als Aspiranten in seinem Kontor auf Avan-cement einzustellen.
Die Dynastie der Köuigswarter stammt aus Fürth iu Bayern ,eine der ältesten und fruchtbarsten Judengemeinden Deutschlands ,nur etwa von Worms darin übertroffen.
Unter ihren Glaubensgenossen standen von langer Zeit hergerade die Eingeborenen dieser zwei ältesten Gemeinden im Rufe,ein starkes Kontingent närrischer Käuze zu liefern, was vielleichtdurch eine gewisse, aus der überschießenden Geistesfülle des ab-gesonderten und eigenartigen Znsammenlebens herausgewachseneOriginalität zu erklären ist. „Fnrther Narren" und „WormserNarren" waren im Jargon der Synagoge sprichwörtlich. Daswar aber durchaus kein Symptom untergeordneter Veranlagung.Im Gegenteil wies es auf eiue geistige Üppigkeit hin, die durch