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konnte ihm nicht bestreiten, daß das preußische Junkertum auchdem ueuen Deutschland wieder seine Signatur aufgedrückt hatte.Aber ich ließ mich deshalb doch nicht zur Reue bekehren, und ermutete es mir entfernt nicht zu.
Er war eiue merkwürdige Mischung von Weltmann undbäuerlichem Provinzialeu. Er hatte die Welt nach allen Rich-tungen der Landkarte und der Gesellschaft durchwandert, mit Hochund Niedrig intim verkehrt und seine eigene starke Individualitätdabei in ihrer Ursprünglichkeit unberührt erhalten. Das gab ihreinen Gruudzug von Derbheit, der sich nicht nur in Gedanken,sondern auch in Geberden nnd Vortrag äußerte, nicht gerademißfällig, aber auffällig.
Ich habe ihu in Pariser Salons beobachtet, wo er gernegesehen war. Er bewegte sich ganz unbefangen, aber es wardoch etwas Herbes darin, das nach einem langen in Genf und inenger Berührnng mit Frankreich verbrachten Leben noch an dieLuft der heimischen Wetteran gemahnte.
Die interessanteste Erscheinung aus den Reminiszenzen vonHartmanns Krankenstube bleibt mir Iwan Tnrgenieff. Er kamziemlich oft und bei den zwei oder drei Sylvesterseiern, die wirdem Leidenden zum Trost iu seinem sechsten Stock feierten,prangte des Russen herkulisch milde Gestalt als die größte Zierdean unserer abendlichen Tafel.
Welch eiu edler Kopf, ein wahres Löwenhaupt mit derwunderschönen Mähne, den sanften Augen, der melodischenSilberstimme. Dazu das liebenswürdige, bescheidene Auftreten,die feinschattierte Unterhaltung. Man hatte immer nur denMenschen vor sich, gar nicht den berühmten Schriftsteller — einefo große Seltenheit!
Tnrgenieff lebte bis zu seinem Tode im engsten Freund-schaftsverhältnis zu der großen Sängerin und SangesmeisterinPauline Garcia, verehelicht mit dem Schriftsteller Louis Viardot ,dem im Jahr 1883 verstorbenen Übersetzer des Don Quijote .Frau Viardot ist die Schwester der berühmten, jung verstorbenenMalibran , und obwohl sie nie deren Weltruhm erreicht hat, istsie doch eine ganz außergewöhnliche Künstlerin. Sie war, so lange