Piiris.
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Gerade in der Zeit, als ich Meißner bei Hartmann kennenlernte, trat übrigens allmählich zwischen den beiden eine gewisseSpannung ein, die immer schärfer wurde und schließlich zuvölliger Entzweiung führte. Was die Ursache war, ist mir nichtmehr erinnerlich; ich meine, es waren Weibersachen. Hartmannverband mit seiner überlegenen äußeren Liebenswürdigkeit einstrenges Urteil, besonders in allen den Charakter berührendenDingen. Hatte er einmal einen Menschen auf irgend einerFalschheit oder Unznverlässigkeit ertappt, so war er fertig mit ihm,und es gab keinen Pardon. Daß er an Meißners Charakter etwasAnstößiges entdeckt, fand nach vielen Jahren eine Beleuchtungin dem tragischen Ende des armen Meißner, der sich überflüssiger-weise mit fremden Federn geschmückt hatte, obwohl er in sich Stoffgenug hatte, seinen Mann zu stellen.
Ich habe Meißner nach Jahren in Berlin als spät ver-heirateten glücklichen Ehemann einer jnngen Frau wiedergesehen,und mir so wenig wie irgend einem andern ahnte nur von fern,welche Last auf ihm lag.
Es Hütte mir zu jener Pariser Zeit nahe gelegen, dnrchMeißner mich bei Heine einführen zn lassen. Aber Heine lagdamals schon so schmerzlich krank darnieder, daß ich mir nichtgetraute, ihn zu belästigen, da meine Person kein Interesse fürihn haben mochte.
Ich bin nie ein Berühmtheitsjäger gewesen und habe esimmer dem Znfall überlassen, mich mit Menschen, die michinteressierten, zusammenzuführen. Er hat mich auch gut darinbedient, aber uach dem Tode dieses oder jenes berühmten Mannesthat mir's doch leid, daß ich dicht an ihm vcrübergegangen war,ohne ihn zu sprechen. Man hat eine unvergleichlich viel lebendigereVorstellung von einem, dessen Stimme man gehört, mit dem man,wenn anch nur eiumal, persönlichen Gedankenaustausch gehabt hat.So habe ich es nicht verschmerzt, daß ich Heine, wie später GustavFreytag, uie gesprochen habe, uud ich bin Berthold Auerbach zeit-lebens dankbar geblieben, vaß er mich bestimmte, bei einem kurzenAufenthalt in Darmstadt David Friedrich Stranß aufzusuchen.
Die Zahl der fchriftstellernden Deutschen, namentlich ans derpolitischen Flüchtlingswelt, die bei Hartmann verkehrten, war