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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Paris

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Simon war ein äußerst geschickter und geschmackvoller Redner,mit seinen Pointen und einem einschmeichelnden Vortrag; amvollendetsten war er als Erzähler im Privatkreis, anch bei Tisch.Er war, was man einen Conteur, einen Erzähler von Beruf undKunst nennt. Er hatte einen unerschöpflichen Schatz von Anek-doten und Beobachtungen angesammelt, die er in der spannendstenDarstellung abzuspinnen verstand. Sein Äußeres kam dieserWirkung auch zu statteu. Eher uuter als über mittelgroß, machteseine breitschultrige, wohl abgerundete Fignr doch einen imposantenEindruck; der Kopf war schön, mächtig, wohl proportioniert.Ueber den nach südlichem Typus zugeschnittenen, von dnnklemHaar und seitlichem Barte umrahmten feinen Zügen lag einAnflug von List und Ironie, der dem Inhalt entsprach. Vielfachbehauptete mau, er sei jüdischer Abstammung, und der Gesamt-eindruck seines änßeren uud inneren Wesens widersprach dem uicht.Doch wird nach dieser Nichtnng hin ja überall viel gefabelt.Thatsache ist, daß er'eigentlich nicht Simon hieß sondern Snisse,welchen Familiennamen er mit jenem Voruameu seiues Vatersvertauschte. Doch rühmte er sich sehr seiner echt und urbretonischenHerkunft.

Nicht nur bei Ulbach kam ich oft mit Simon zusammen,sondern noch mehr in einem Salon, dem man wirklich diesenTitel geben konnte, und der ihn auch zu verdienen bemüht war.Es war der einer Madame Didier. Sie war auch sie einefaktisch geschiedene Frau, schou in vorgerückten Jahren, über diefünfzig hinaus und bereits sehr unjugendlich ausseheud, auch sichgar nicht dem entgegen gebahrend. Ihr Gemahl war ein Schrift-steller namens Charles Didier , Genfer von Geburt, der sich durchein BuchUoms soutörrmus" bekannt gemacht hatte und nicht inParis lebte. Sie war von Hause sehr reich, Tochter eines großenHochofenbesitzers aus den Ardennen. Sie hatte entschiedene litte-rarische Liebhaberei und widmete sich ganz der Aufgabe, einenSalon interessanten Inhalts zu habeu. Und da ihr iutimer Freundein radikaler Republikaner war, so herrschte auch hier der Geistder Opposition gegen das bestehende kaiserliche Regiment. DieserFreund, Alexandre Ney mit Namen, war aus Marseille gebürtiguud etliche Jahre jünger als die Dame des Hauses. Er hatte