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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Siebentes Kapitel.

er, nachdem er eine streng katholische Erziehung empfangen, seinenGeist befreit habe. Als fünfzehnjähriger Mensch habe er Gibbonsgroßes Geschichtswerk in die Hände bekommen und daraus dieWillkürlichkeit aller Dogmen erkennen gelernt. Er schließt dasbetreffende Kapitel mit den Worten:Seit jener Zeit habe ich oftalle unlösbaren letzten Gründe der Dinge und die dazu gehörigenHypothesen fahren lassen und wieder aufgenommen, aber vondamals an habe ich aufgehört, Katholik und Christ zu sein"; die-selben Worte, mit denen er den Sturm in der Pairskammer ent-fesselte. Das hinderte ihn aber nicht, noch in späteren Jahren zueiner Somnambule zu gehen und sich auf Haare hiu Ratschlägefür die Gesundheit einzuholen. Immerhin war d'Alton einphantastischer Mensch, bei dem man diese Art von Widerspruchnoch einigermaßen erklären konnte. Dagegen war seine Schwester,Madame Zaubert, eine der klügsten, erfahrensten und geistreichstenFranzösinnen, die ich je gekannt habe. Trotzdem verhinderte aberauch dies nicht, daß sie in diesem Punkt ebenso unlogisch undunberechenbar war, wie der Bruder.

Die Narrheit des Tischrückens uud Geisterklopfens, welcheanfangs der fünfziger Jahre uoch iu Deutschland grassiert hatte,war daselbst in den sechziger Jahren bereits vorüber, aber inParis war es damit noch nicht zu Ende. Meine Freundin warüber meine Verspottung dieses Spuks ebenso empört, wie esnur ein frommer Katholik über ihren gänzlichen Unglaubenhätte sein können. Eines Tags wollte sie sogar, daß ich ihr festglaube, als sie erzählte, sie hätte mit eignen Augen nicht nureinen Tisch, sondern ein großes Klavier im Zimmer umherspringen sehen und entrüstete sich, daß ich ihre Wahrhaftigkeit oderihre fünf Sinne in Zweifel zöge. Unter solchen Umständen darfes nicht wunder nehmen, daß sie auch felsenfest an Homöopathieglaubte. Diesem Umstand verdanke ich eigentlich sogar den An-fang unserer Freundschaft. Ich lernte sie nämlich bei ihremBruder d'Alton kennen.

Am ersten Abend, den ich da mit ihr zugebracht, kam dieRede auf das Thema, uud ich machte mich darüber lustig. Amanderen Morgen kam mir ein ganzer Stoß Bücher ins Haus,lauter Werke homöopathischen Inhalts, die sie mir zu meiner Be-