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Erinnerungen / von Ludwig Bamberger
Entstehung
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Siebentes Kapitel.

Seine früh verwittweteMutter wohnte noch immer in Chambsry,in Savoyen, nnd war ganz außer Zusammenhang mit dem Pariser Kreise. Die Pariser Freundin war in den vertrauten Verkehrzwischen Mutter und Sohn eingeweiht, deren Briefwechsel sie ver-folgte. In ihre Erinnerungen hat sie eine ganze Reihe solcherBriefe charakteristischer Art aufgenommen. Wie den anderenFreuuden war sie ihm Ratgeberin in litterarischen, in weltlichenund in Angelegenheiten des Herzens. Alles interessierte sie unddie letzteren nicht am wenigsten und, wie man sich denken kann,mit einem aus natürlicher Klugheit und reicher Erfahrung sattsamgenährten Verständnis.

Wie ich schon an anderer Stelle erzählt habe, war Lanfreyein eifriger Verehrer des schönen Geschlechts und hat manchenRoman durchgemacht. Er konnte sehr verliebt sein, und dieskontrastierte gerade für seine Auserwählten mit der sonstigenHärte nnd Schärfe seines ganzen Wesens. Madame Zaubert gabihm den Kosenamen Isrooino und suchte ihn stets mit ge-wichtigen Persönlichkeiten zu versöhnen, denen er wegen irgendeiner ihm mißfälligen Eigenschaft gram war und fern blieb.Namentlich gegen Gambetta, den er verabscheute, suchte sie ihnbesser zu stimmen. Nicht als hätte sie diesen eigentlich andersbeurteilt. Schon lange ehe Thiers ihn den ton kurisux genannt,hatte sie sich gegen Ende des Kriegs über ihn mit Unwillen aus-gesprochen, weil er hoffnungslos den Appell an den Widerstanderhob. Aber als er in den späteren Zeiten der mächtigste Mannin Frankreich geworden, war sie es, die Lanfrey zu bereden suchte,daß er seinen Frieden mit ihm mache. Anfangs 1877 mußteLaufrey, dessen Lnngenkrankheit bedenkliche Symptome zeigte, nachdem Süden von Frankreich gehen, wo er im November desselbenJahres starb. Die tröstenden Briefe der Freundin begleitetenihn bis zu seinem Ende.

Ich habe die Beziehungen zwischen Frau Zaubert und ihrenberühmtesten Freunden mit einiger Ausführlichkeit geschildert, weildieselben einen deutlichen Maßstab geben für den Reichtum derQuelle, aus der ich bei ihr für die Kenntnis des französischenLebens schöpfen konnte. Hier fand ich Vergangenheit nnd Gegen-wart, Älloiöll rsZillls und moderne Welt, Litteratur, Kunst und