Beziehungen zu Deutschland nnd erste Reisen ins Vaterland. 519
Wir wohnten im Gasthof zum „Grünen Winkel", welcherdamals noch nicht sein Schild mit dem des Hotel Bellevne ver-tauscht hatte und ein sehr gutes, aber anspruchsloses bürgerlichesHaus war, von einer Anzahl hübscher Töchter bedient. Es warengenußvolle Tage.
Trotz meiner eben vollendeten vierzig Jahre fühlte ich michnoch sehr jung und zum Beginn einer vitg. nnovs. frisch auf-gelegt, worin, wie mir meine etliche Jahre später eingeleitete Er-fahrung bewies, ich mich nicht getäuscht hatte. Trotz aller Ver-trautheit mit dem französischen Leben und den Annehmlichkeiten,die es mir gewährte, trotzdem ich mich gebend und nehmend indie Pariser Gesellschaft eingebürgert hatte, war mir das Be-wußtsein einer gewissen inneren Fremdheit nie ganz geschwunden.Es gab immer Momente, in denen ich Einkehr hielt und mirsagte, daß meine Denkart innerlich von der meiner französischenFreunde verschieden sei, und daß es mir nie gelingen werde, michunter und mit ihnen ganz auszuleben, ganz abgesehen davon,daß von einer aktiven Beteiliguug an der Politik des Landes-keine Rede sein konnte. Dazn kam, daß auf deutschem Bodender gute Geist in jenen ersten sechziger Jahren gerade in Oppo-sition gegen das Msmarcksche Regiment in voller Stärke wehte.Nicht bloß in der Politik, sondern anch in den wirtschaftlichenAnsichten herrschte eine weitherzige, freisinnige Richtung, die ganzder meinigen entsprach.
Die freihändlerischen, sreigewerblichen Bestrebungen fandenin den volkswirtschaftlichen Kongressen einen starken und sieg-reichen Ansdrnck. Unter ihrer Mitwirkung gelang es, den Wider-stand gegen die neuen Handelsverträge im Zollverein zu brechen.Der Fürstentag in Frankfurt , mit seinen windigen Schaustückenverriet, daß das Gebäude des alten Bundestages m seinen Fugenkrachte. Aber vor allem zeigte sich die bürgerliche Welt, Beamte,Gelehrte, Kanflente und in ihrem Gefolge die Maffe der Be-völkerung wie beseelt vom Geiste der Aufklärung und mutigerWiderstandskraft.
Es war die Zeit des Werdens, die so oft schöner ist als dieder Erfüllung. Und gerade darum zog mich alles so lebhaft her-über. Wer mir damals das Bild der Dinge in der Perspektive