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Vor der Revolution. 1840—1848.
Empörung über die Ausstellung des heiligen Rocks von Trier
1844 von der katholischen Kirche loslösten. Die Fälschung derLegende von diesem heiligen Rock ist offenkundig, und weite Kreisekatholischer Christen waren durch die steigende Dreistigkeit undRücksichtslosigkeit der nltramoutanen Schwärmer und Hetzer mittiesem Kummer erfüllt, aber die Verfassung der katholischen Kirche ist sest gefügt, und nur verhältnismäßig wenige wagten den Schritt,aus der Kirche auszutreten nnd eine Neugründung zu versuchen.
1845 hielten sie ein Konzil in Leipzig und zwei Jahre später einzweites in Berlin , auf dem 120 Gemeinden durch 70 Abgeordnetevertreten waren. Aber die Führer der Bewegung waren nicht be-deutend geuug, und die Zeitverhältnissc wurden zn schwierig, alsdaß das Werk in größerem Umfange hätte gelingen mögen.
Auf dem Boden der protestantischen Kirche erstanden in denFreien Gemeinden damals ähnliche Bildungen ans analogem Druckder kirchlichen Behörden und der in ihnen herrschenden Partei.Wenn sie ebenfalls keine Reform der Kirche herbeiführten, so istdoch zn betonen, daß die Bewegung, aus der diese Bilduugeuhervorgiugeu, weit bedeutender war als das Ergebnis. Die Teil-nahme sür diese Versuche war uugcmein groß, und an sich un-bedeutende Männer gewannen als Vorkämpfer für diese Ziele eineheute kaum zu begreifende Bewunderung und Verehrung. Denndas Bedürfnis einer Erneuerung der kirchlichen Einrichtungenwar vorhanden, und dazu kam, daß sich das Verlangen des Volkesnach eiuer Teilnahme am öffentlichen Leben aus dem kirchlichenGebiete um so lebhafter geltend machte, weil ihm das politischeGebiet versperrt war. Die Opposition gegen das Bevormnnduugs-sy stein der Regierungen erschien hier leichter, und sie war auch er-solgreich. Denn das unsichere Verhalten der Regierungen in diesenkirchlichen Fragen schwächte ihre Stellung auch in den politischenDingen und überzeugte manchen von der Notwendigkeit einer poli-tischen Änderung, dem die politischen Fragen bis dahin fern lagen.
In erhöhtem Maße bewährten sich jetzt die parlamentarischenEinrichtungen der konstitutionellen Mittelstaaten, indem sie der mitjedem Jahre steigenden Bewegung einen gesetzlichen Schauplatz undgesetzliche Formen liehen. Besonders bedeutsam waren die parla-