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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Die Landtage, Schleswig-Holstein ,

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den sächsischen Gerichten mit dem Wunsche, daß diese Reform auchfürDeutschlands , des geliebten gemeinsamen Vaterlandes Wohlund Preis" heilbringend sein möge. Die Zeit war sehr be-geisterungssühig. Gerade aus dem Druck und der Not erhebt sichder Mensch gern zu den allgemeinsten Hoffnungen, nnd hier kamnoch etwas anderes hinzu: man hatte das Vorgefühl der kommendenDinge, der Bewegung, die 1848 alles fortriß. Es war die Zeit,da der von Amt und Brot verjagte Hoffmann von Fallersleben das LiedDeutschland, Deutschland über alles" sang, NikolausBeckerSie sollen ihn nicht haben", und SchneckenburgDieWacht am Rhein ".

Einen neueu Austoß erhielt die nationale Bewegung, als derOffene Brief" des Dänenkönigs Christian VIII. vom 8. Juli 1846die in Däuemark geltende weibliche Erbfolge auch für Schleswig proklamierte uud so die Hoffnung der Schleswig-Holsteiner zer-störte, daß sie bei dem bevorstehenden Aussterben des dänischenKönigshanses aus der Verbindung mit Dänemark gelöst werdenwürden. Da es sich hierbei zunächst um verwickelte Rechtsfragenhandelte, fo traten die Professoren als Vorkämpfer auf, aberNachdruck gewannen ihre Argumente doch nur durch das kräftigeNationalgefühl, das sich in der Masse des Volkes erhob.

Wir »vollen keine Dänen sein,Wir wollen Deutsche bleiben!

so sang man in Schleswig-Holstein , und so sang man in denübrigen deutschen Ländern nnd empfand dabei mit doppelter Wuchtdas Elend unserer politischen Zerrissenheit. Auch aus den Hof-kreiseu kamen jetzt Vorschläge zur Abhilfe. Der Prinzgemahl derKönigin Viktoria sandte seinen: königlichen Vetter in Berlin eineDenkschrift, die dort freilich wenig Beifall fand. Radowitz, derbesondere Freuud Friedrich Wilhelms IV. , arbeitete Entwürfe überdie Bundesreform aus, und ein ehemaliger badischer Minister em-pfahl ähnliche Maßregeln. Die Regierungen der Einzelstaatenmußten es ausgeben, die Äußerungen nationaler Wünsche in alterWeise zu versolgeu, uud gleichzeitig fühlten sie im eigenen Landihre Autorität erschüttert. In Leipzig (1845), in München undin Stuttgart kam es zu Unruhen, die mit Gewalt niedergeworfen