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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Vor der Revolution, 18401848.

daß sein Volk durch die ständischen Einrichtungen in den Pro-vinzen und durch einen unabhängigen Richterstand vor Mißbrauchder königlichen Gewalt hinreichend geschützt sei, weiteres brauche esnicht, und von der grundsätzlich unumschränkten Gewalt des Königsdürfe auch nichts weggegeben werden. Durch eine Art Testament,das wie ein Hausgesetz gelten sollte, suchte er auch seine Nachfolgerauf diesen Grundsatz zu verpflichten.

Der Ruhm eines unabhängigen Richterstandes war freilich durchhäufige Verletzung und Versagung des Rechtsganges eingeschränktworden. Denn auch abgesehen von der Demagogenverfolgunggeschah manches der Art, was die Aufmerksamkeit weiter Kreise er-regte; und die Fortdauer der Patrimonialgerichtsbarkeit war eineQuelle vielfältiger Ungerechtigkeit, die zwar in der Stille erduldetwurde, aber eine steigende Summe des Zorns und des Mißtrauensaufhäufte. Von alledem hörte der König jedoch nichts, wie erdenn überhaupt von den Zuständen des Landes wenig Erfuhr,denn nur ein kleiner Kreis hatte sein Ohr. Er erfuhr nichts vondem Jammer der Bauern, deren Besitz das Gesetz von 1816 demGutsherrn auslieferte, noch von dem Kummer der Familien, deren be-gabte Söhne von den Tschoppe und Konsorten zu Grunde ge-richtet wurden. Auch über die Nebenwirkungen seiner Kircheupolitikhörte er nicht die volle Wahrheit, noch weniger über das Miß-tranen, das sich an die Thatsache heften mußte, daß der Königdem Lande die dreijährigen Übersichten über die Einnahmen undAusgaben nicht gab, zu denen er sich durch die Kabinettsordre vom17. Januar 1820 verpflichtet hatte. Nur dreimal: 1821, 1829und 1832 erschien ein solcher Etat, der aber so kurz war, daßman nichts daraus entnehmen konnte, und der auch nicht richtigwar. Der König hielt sich die Geschäfte und besonders die unan-genehmen meist fern. Selbst die Minister sah er selten. Manerzählte, er habe sich einmal erkundigt, wer denn der Herrsei, der ihn so devot grüße, und sei sehr erstannt gewesen, zuhören, daß es sein Minister Altenstein sei. Das ist nun ver-mutlich nur eine hübsche Geschichte, aber daß sie entstehen konnte,ist bezeichnend genng. Trotzdem genoß der König im Volke Liebeund Vertrauen. Er war ehrbar und wohlmeinend; was ihm an