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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Tie Revolution von 1848 und 1849.

verschieben zu dürfen. Jedvch schon am zweiten Tage darans er-ließ er eine Proklamation mit den Worten:Ich meinerseits be-willige Euch die mir vorgebrachten Forderungen unbedingt und sprecheauch die seste Überzeugung aus, daß der Herzog sie Euch bewilligenwird . . . Wenn der Herzog Eure Forderungen nicht genehmigensollte, so lege ich, der Minister . . . bereitwillig meine Stelle ohnePension nieder." Die Herzogin und der Bruder des Herzogsschrieben darunter, daß sie mit obigem ganz einverstanden seien,nnd ließen sich die Echtheit ihrer Unterschrift durch eine AnzahlBürger bestätigen. Noch an eben diesem Tage traf der Herzogein, erklärte zunächst mündlich seine Zustimmung und erließ danneine entsprechende Proklamation.

Wer hätte eine Woche zuvor so etwas für möglich gehalten!Aber nicht nnr die einzelnen Fürsten gaben sich so hin, derBundestag selbst, dessen Glieder längst eingerostet schienen, derBundestag wurde gelenk und machte dem Volke eine Verbeugungüber die andere. Es waren Vorgänge, die alle Erfahrung auf denKopf stellten und allen Faktoren andere Werte verliehen: manmnßte anders sehen und anders rechnen lernen.

Am 1. März hoben die Regierungen von Württemberg undBaden die Ccusur auf, obschon sie auf Bundesbeschlüssen beruhte.Der Buud dachte nicht daran, das zu rügen, beeilte sich vielmehr,durch eineu Beschluß vom 3. März allen Bundesstaaten zu ge-statten, die Censnr aufzuheben nnd Preßfreiheit einzuführen. Inden meisten Ländern geschah das sofort, in Preußen durch Erlaßdes Königs vom 17. März, und die Breslauer Zeituugen erschieueuam 19. und 20. März mit dem Vermerk:Erster censurfreier Druck".

Die Presse frei, die Glocken laßt ertönen und läutet Jubelüberall" so beginnt ein Gedicht jener Tage, und in tausendähnlichen Formen brach sich das Gefühl Bahn, daß ein Alp vonder Brust der Nation abgewälzt sei, daß nun die Bahn frei fei,um zu fiudeu, was dem Volke Heil bringe. Keine Woche verstrich,und der Bund faßte am 9. März den Beschluß, die FarbenSchwarz-Rot-Gvld für die Farben des Bundes zu erklären. Un-glaublich! der Bund, der so viele Jünglinge in den Kerkern hatteverkvmmen lassen, weil sie diese Farben trugen, dieser Bund nahm