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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Die Revolution von 1848 und 1849.

Punkt der Legitimität vertrete und daß Preußen in der deutschennnd in der hessischen wie in der holsteinischen Frage revolutionärenZielen nachgejagt habe.

Indessen ließ sich Friedrich Wilhelm IV. doch nicht so ohneweiteres überzeugen, daß er sich Österreich unterwerfen müsse. Erhatte freilich in der schleswig-holsteinischen Sache nachgegeben, unddamit den ersten Schritt in das Gebiet der willenlosen Er-niedrigung vor den beiden Kaisern gethan: man sollte glauben,daß er nun auch alles weitere Hütte über sich ergehen lassen;aber es waren in seiner Umgebung doch einige kräftigere oderempfindlichere Persönlichkeiten, die ihn zum Widerstand drängtenund den Gedanken an Preußens Ehre immer aufs neue weckten.Radowitz war der einflußreichste Träger dieser Politik, der merk-würdige Mann, dessen eigenartige Beredsamkeit im Parlament znFrankfurt Leute der verschiedensten Richtung fortzureißen ver-mochte und der dem Könige seit langer Zeit auf das engsteverbunden war. Er hatte durch seine Gespräche über Staat nndKirche 1846 auf die Stimmung der Zeit großen Einfluß geübt,ohne aber bestimmte Vorschläge zu unterstützen: das Königtumvon Gottes Gnaden, die Bedeutung der Kirche als Heilsanstalt,die Thatsache, daß in manchem absoluten Staate mehr sür dasWohl des Volkes geschehe, als in manchem konstitutionellen, rollten,wie im Kaleidoskop die farbigen Splitter, um- und durcheinander,oftmals reizende Farbenspiele schaffend, aber kein Bild für dauerndeBetrachtung. Mit diesen Gedankenblitzen konnte kein Urteil ge-wonnen werden über das was Not thue.

Daran hinderte ihn auch sein kirchlicher Standpunkt. Erwar Katholik von einer Richtung, die sich oftmals mit de Maistreberührte, von dessen dreister Sophistik ihn aber seine aufrichtigeStaatsgesinnung trennte. Er fühlte sich in den Gegensätzen derZeit verstrickt, sagte sich selbst, daß er keinen Rat wisse, glaubteaber nun diese Ratlosigkeit als ein Zeichen der Zeit, nnd mehrnoch als das Wesen der Zeit fassen und damit die Erfolglosigkeitder Reformen erklären zu können.

Es giebt Zeiten, schrieb er in das Parlamentsalbum, in welchen dieStaatsverfassung eines Volkes weder bestehen kann, wie sie ist, noch auch so