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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Der Nationalverein und der Regent.

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Opfer bringen müssen, wenn eine mehr konzentrierte Verfassung in Deutsch-land eingeführt werden soll . . aber es sei doch besser, einen Teil seiner Re-gierungsbefugnisse auf eine deutsche Bundesgewalt zu übertragen, als sieganz an Frankreich oder Rußland zu verlieren.

Auf einer Versammlung in Eisenach am 14. August und einerweiteren in Frankfurt a. M. am 16. September 1859 gelangtendiese Bestrebungen in der Gründung des Nationalvereins zumAbschluß, der sich die Aufgabe stellte,eine nationale Partei zumZweck der Einigung nnd freiheitlichen Entwicklung des großenVaterlandes" zu bilden. Die amtliche und halbamtliche Pressefowie die Behörden Preußens begleiteten die Ausbreitung desVereins zunächst mit Wohlwollen, während in den Mittelstaaten,namentlich in Hannover , eine Art Verfolgung der Mitglieder be-gann, die durch eine plumpe Erklärung des Königs Georg V. andie Stadt Emden in ganz Deutschland berüchtigt wurde. Der Regentdagegen lehnte es ab, auf die Wünsche der Könige von Hannover und Württemberg einzugehen, die ihn im Juni 1860 zu einemEinschreiten gegen den Verein veranlassen wollten, und als Darm-stadt im Januar 1861 beim Bunde den Antrag auf Verfolgungdes Vereins stellte, warnte das Organ des preußischen Ministeriumsvor demEinlenken in den Geist der Karlsbader Beschlüsse ".

Aber dem Regenten sowohl wie dem Minister Schwerin warder Verein und seine Agitation trotzdem unbequem: er sei zurUnzeit entstanden, die Agitation bereite Schwierigkeiten und hinderedurch die weitgehenden Forderungen nur das Gelingen derdringendsten Reformen. Max Duncker , der ganz auf dem Boden desVereins stand, durfte ihm deshalb wegen seiner amtlichen Stellungnicht beitreten, hielt aber die Beziehungen zwischen dem Vereinund dem Ministerium aufrecht. Der von Anfang an VorhandelleGegensatz tritt scharf hervor, wenn man Preußens Verhalten mitdem Schutz und der Unterstützung vergleicht, die der Herzog vonKoburg und der badische Minister Roggenbach dem Verein undder ganzen nationalen Bewegung zu teil werden ließen. In denfolgenden Jahren verschärfte sich dieser Gegensatz, so daß die Führerdes Vereins in dem Glauben an den preußischen Staat und an dieMöglichkeit, ihn an die Spitze von Deutschland zu stellen, schwankendzu werden begannen.