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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
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Regentschaft und Anfänge König Wilhelms I.

Ein ähnlicher Gegensatz herrschte zwischen Regierung nnd Volkin betreff der italienischen Einheitskäm'pfe. Schon die Haltungdes Regenten in dem Kriege zwischen Österreich und Sardinien .1859 hatte im Lande keine volle Zustimmung gefunden. Es fehltenicht an Stimmen, die für Italien gegen Österreich Partei nahmen.Auch hatte der Regent keine Erfolge zu verzeichnen. Im Gegen-teil. Nach dem Frieden von Villafranca im Juli 1859 konnteman sagen, er habe beide Parteien gereizt und keine befriedigt,weder Österreich noch Frankreich und Italien . Der Regent ver-hehlte sich das auch selbst nicht, er schrieb darüber Ende September1859:Ich trage die mir nach allen Richtungen gewordenenSchmähungen sehr ruhig, weil mein Gewissen mich völlig frei vonallen Porwürfen spricht, die man mir macht." Die Worte sindbezeichnend für seine Neigung, die Fragen der auswärtigen Politikmehr vom Standpunkt seines persönlichen Empfindens als Mannund Kavalier zu behandeln als vom Standpunkt der Interessendes Landes und der Pflicht des Staatsoberhaupts gegen dieseInteressen. Er hat das später überwinden lernen, unter der Führungeines großen Kanzlers und unter dem Einfluß der bitteren Er-fahrung, daß eine solche Gefühlspolitik stets noch mehr Gegensätzeerzeugt, als schon in den thatsächlichen Verhältnissen begründet sind.

So hatte der Regent 1859 durch seine Hingebung fürÖsterreich großen Grnppen des Hofes bei weitem nicht genuggethan, und als Fürst Windischgrätz im Juli 1859 als außer-ordentlicher Vertreter Österreichs nach Berlin kam und dort dieBeschuldigung erhob, Preußen habe Österreich im Stich gelassen,fand er ant Hofe und namentlich bei der Königin für seine Klagefruchtbaren Boden. Man erzählte sich, die Königin habe mit ihmgeweint. Die Lage war für Preußeu sehr schwierig gewesen. DerRegeut hatte Österreich seine bewaffnete Vermittlung auf der Grund-lage der Erhaltung seiner italienischen Provinzen angeboten, aberÖsterreich hatte auch die Erhaltung seines Einflusses in den Schutz-staaten Toscana, Parma, Modena gefordert und diese Hilfe Preußeusals einfache Bundespflicht. Darüber verzögerte sich die Einiguug,aber Preußen machte trotzdem seine Armee mobil und übte dadurcheiueu erheblichen Einfluß auf Napoleons Entschluß, Österreich