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der Priesterherrschaft alles flüchtete, was sich nicht stumm ergebenwollte, und aus der Schwärmerei für eine republikanische Staats-form, für die die gesellschaftlichen Voraussetzungen fehlten, zu einerpolitischen Erneuerung im Anschluß an den lebenskräftigen StaatSardinien erhob.
Diese Beobachtung war vielleicht die letzte große politischeFreude des durch die Zeit der Reaktion gebeugten und verbittertenDahlmaun. Im Oktober 1854 und im Frühjahr 1855 schrieb er:
Italien kvmmt mir recht eigentlich nicht mehr aus dem Sinn. Wennes den Italienern gelänge, den Anschluß an Sardinien maßvoll festzuhaltenund damit zugleich den Wust des Papsttums abzuschütteln, es wäre eine
Lebensquelle in einer Wüste.....Sie scheinen wirklich das Äschhleische
ocu^ovei»- i5?rö arevec (Besonnenheit lernen unter den: Druck der Not)gelernt zu haben. Von ihnen kann, wenn sie beharren, großer Trost fürDeutschland ausgehen — wenn sie beharren und wir vernünftiger werden,als wir sind.
Diese Anschauung war weit verbreitet, bis in die Kreise der Jugeudhinein, und Graf Cavour , der kluge und kühne Leiter der sardi-nischen Politik, fand in Deutschland eine große Zahl ausrichtigerBewunderer.
Cavour war ein ganz ungewöhnlich bedeutender Mann, warfür Italien, was Bismarck später für Deutschland , und die Be-schränkungen, die den Deutschen von einer energischen Teilnahmeam öffentlichen Leben zurückhielten, veranlaßten auch damals nocheine um so eifrigere Beschäftigung mit den Thaten und Leiden derpolitischen Helden des Auslandes. So brachte eine deutsche Zeitschriftim Jahre 1859 eine eingehende, die verschiedensten Seiten seinerThätigkeit würdigende Charakteristik Cavours, die sich von Übcr-schwenglichkeit feru hielt, aber den Deutschen doch das Bild einesStaatsmanns gab, der sein Land aus weit unglücklicheren undhülfloseren Verhältnissen, als die deutschen waren, heraushob..Die Aualogie drängte sich unabweislich auf, man fühlte, das;die Italiener unter dem Einfluß des gleichen Schicksals und dergleichet? Sehnsucht nach einem Vaterlande standen wie die Deutschen .Zugleich erwachten die Erinnerungen an den Austausch wissenschaft-licher, religiöser und künstlerischer Ideen und Produkte zwischenden beiden Völkern, und die seit den Tagen der Humanisten bis