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Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
Entstehung
Seite
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Der Handelsvertrag mit Frankreich .

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ob sie dem Vertrage und den durch den Vertrag nötig gewordenenVerändernngen des Zolltarifs zustimmen wollten, benutzte Öster-reich die Auslegung, die in manchen Kreisen darüber entstand, umseinen 1851/52 gescheiterten Versuch zu erneuern und den Zoll-verein zu sprengen. Das neue Ministerium Hohenlohe-Heydt-Roon blieb bei diesen Verhandlungen in den Bahnen des altennnd sührte die Verhandlungen mit Österreich wie mit den Zoll-verbündeten mit Festigkeit und Geschick. Aller Widerstand hörteauf, als Preußen bei dem Satze beharrte, daß die Annahme desHandelsvertrages die Vorbedingung für die Erneuerung der Zoll-vereinsverträge sei. Das Abgeordnetenhaus trat der Regierungzur Seite, und diese Übereinstimmung hat gewiß zu dem Erfolgebeigetragen. Aber selbst das glückliche Zusammenwirken in einerso großen nnd schwierigen Angelegenheit half nicht über dieSpannung hinweg, die durch den Kampf um die Reorganisationund die Auffassung des Budgetrechtes gegeben war.

Wohl fehlte es nicht an Erklärungen von beiden Seiten, diedem Standpunkt des Gegners eine gewisse Berechtigung zugestanden.Der Vertreter des Kriegsministers, Oberst v. Bose, äußerte sich ineiner Sitzung der Budgetkommission (22. August 1862) so, alserkenne er an, daß aus beiden Seiten Recht und Unrecht liege,und in derselben Sitznng suchte der Vertreter des Fiuanzministersdas Vorgehen der Regierung fast mehr zu entschuldigen und zuerklären, als zu rechtfertigen. Am folgenden Tage gab die Regie-rung eine Reihe von Forderungen ihres Reorganisationsplanespreis, nm durch dieses Entgegenkommen die Zustimmung für dieganze Reform zu gewinnen; auch mochte man es für ein gutesZeichen ansehen, daß gerade wenige Tage vor Beginn der Militär-debatte das Haus mit 233 gegen 26 Stimmen der Regierung ihrevolle Übereinstimmung" zu ihren energischen Schritten gegen dieZollvereinsstaaten aussprach, die den französischen Handelsvertragund den dadurch bedingten Tarif nicht annehmen wollten. DieDebatte über den Militäretat wurde den 11. September begonnenund von beiden Seiten mit einem bewunderungswürdigen Auf-gebot von Kraft nnd Geschick sieben Tage hindurch fortgesetzt.Einen Augenblick schien es wohl, als würde eine Einiguug erzielt