Druckschrift 
Politische Geschichte Deutschlands im neunzehnten Jahrhundert / von Georg Kaufmann
Entstehung
Seite
575
Einzelbild herunterladen
 
  

Italien . Der König und der Krieg. Stimmung im Volke.

575

zeugen, daß der Krieg unvermeidlich ſei, wenn Preußen nicht einzweites Olmüş erleben wolle. Dazu kamen aus dem Lande vonden verſchiedenſten Seiten, von einzelnen Perſonen, wie von Städtenund Korporationen Bitten und Mahnungen, den Frieden zu er-halten. Von allen Seiten wurde gegen Bismarck Sturm gelaufen.koon und Moltke ſtanden jedoch feſt zu ihm, und nach und nachtraten andere ihnen bei. Aus den Reihen der Konſervativen derGeneral v. Manteuffel, der auf den König großen Einfluß hatte undbisher außer durch die konſervativen Traditionen auch durch perſön-liche Rivalität zur Oppoſition gegen Bismarck getrieben worden war.Aus den Reihen der Liberalen erhoben namentlich die HiſtorikerTreitſchke, Mommſen, Sybel, Droyſen , Duncker ihre Stimme fürdie Annexion, und Männer wie Detfer, Mathy, Ziegler, namhafteVorfämpfer und Märtyrer der liberalen Sache, ſprachen aus, daßes falſch ſei, Bismarcks deutſche Politik nicht zu unterſtüßen.

Aber die Maſſe der Fortſchrittspartei verſäumte über demparlamentariſchen Streit die große Stunde, die die Erfüllung dernationalen Hoffnungen und der wichtigſten Ideale der liberalenPartei bringen ſollte. Zu ihr hielt der Kronprinz, beherrſcht vonſeiner Liebe zu dem Auguſtenburger und überzeugt, daß Preußen durch ein liberales Regiment die Führerſchaft in Deutſchland ge-winnen werde. Im Zorn auf Bismarck begegneten ſich die libe-ralen Gruppen mit dem äußerſten Flügel der Konſervativen undmit einflußreichen Perſonen des königlichen Hauſes und des Hofes.

Das alles konnte auf den König nicht ohne Einfluß bleiben,und all ſeine ſtaatsmänniſche Größe hätte Bismarck wohl kaumgeſichert, wenn er den König nicht mit vollendeter Kunſt zu be-handeln gewußt hätte. Dabei fam ihm zu Hilfe, daß die Fort-ſchrittspartei des Abgeordnetenhauſes in der damaligen Seſſion,die vom 15. Januar bis 9. Mai 1866 währte, das ganze Regie-rungsſyſtem auf das heftigſte angriff. Der Kampf um dieReorganiſation hatte ſich längſt zu einem Kampf um das Budget-recht und andere weſentliche Fragen der Verfaſſung erweitert undwar durch den Streit über die ſchleswig- Holſteinſche Frage trok desglücklichen Kriegs nur weiter verſchärft worden. Der König fühlte,daß er dieſen Kampf ohne Bismarck nicht weiter führen könne, und